Predigt zum 2. Herrentag nach Ostern / Thomas-Sonntag / Antipascha (Apg. 5: 12-20; Joh. 22: 19-31) (15.04.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

nun liegt die freudige Lichte Woche, die ein ununterbrochenes liturgisches Besingen der Auferstehung Christi war, hinter uns. Es beginnt bei wieder geschlossenen Altartüren erneut der kirchliche Alltag. Zu dieser "Alltäglichkeit" trägt auch die heute gehörte Evangeliumslesung bei, die eine erweiterte Wiederholung der Lesung in der Vesper des Ostersonntages ist (Joh. 20:19-25): der Apostel Thomas hört von den anderen Aposteln, der Herr sei auferstanden, kann es aber noch nicht glauben, solange er den Auferstandenen nicht mit eigenen Augen gesehen und Seine Wundmale mit eigenen Händen betastet hat. Erst eine Woche später wird Thomas durch die zweite Erscheinung des Herrn überzeugt. Sein anfänglicher Unglaube wird zum Türöffner für den Glauben vieler. So haben wir in diesen Tagen so oft das "Wahrhaftig auferstanden!" ausgesprochen, als sei der Auferstehungsglaube das Selbstverständlichste in der Welt. Zumindest die im christlichen Glauben Aufgewachsenen kennen die Auferstehung seit frühester Kindheit als Fakt, da sie nicht erst zum Glauben kommen mussten. Aber die in kirchenfremden Familien Erzogenenen hatten da eine ganz andere Ausgangsbasis. Für sie war die Taufe der Abschluss eines langwierigen Prozesses auf der Suche nach Gott. Sie können es besser nachempfinden, wie Thomas zumute sein musste, als er von dem Wunder aller Wunder hörte, es aber nicht glauben konnte.

Die Kirche tadelt den sprichwörlich "ungläubigen Thomas" gar nicht dafür. Auch alle anderen Jünger waren in der Stunde der Wahrheit nicht zur Stelle und erwiesen sich gedanklich-moralisch völlig unvorbereitet auf die Begegnung mit dem Auferstandenen (s. Mt. 28:17; Mk. 16:14; Lk. 24:37-42; Joh. 20:25). - Warum? Weil es menschlich ist, so zu denken, so zu fühlen, so zu handeln. Trotzdem: wir sind doch nicht berufen, bloß humane Wesen zu sein, sondern am Leben im gott-menschlichen Leib Christi teilzuhaben (s. Eph. 4:13; Kol. 2:9-10). Wäre dies bei uns tatsächlich gegeben, würde unsere menschliche Schwäche überwunden. Dieses Bestreben unterscheidet ja die eine Kirche Christi von jenen Pseudo-Kirchen, die mit zunehmender und inzwischen unverhohlener Deutlichkeit nur den humanistischen Aspekt des Evangeliums sehen wollen.

Aber wenn das Gottmenschliche unser Anspruch ist, warum handeln und leben wir nicht danach? - Unser Problem ist doch, dass wir ein bisschen glauben, unsere Sünden ein wenig bereuen, den uns Missliebigen teilweise ihre Schuld vergeben. Alles in unserem Glaubensleben ist bruchstückhaft!!! Ist Christus etwa nur teilweise auferstaden?..

Wenn jemand nicht viel Zeit zum beten oder aus irgendwelchen Gründen nicht alle Fastenregeln einhalten kann, ist das überhaupt nicht tragisch; schlimm ist es aber, wenn wir Christen uns in unserer Handlungsweise nicht einmal äußerlich von den Ungläubigen unterscheiden (s. Mt. 5:46-47; Lk. 6:32-3.4). Was nützen uns dann unsere Gebete, unser Fasten, die Gottesdienste, das Kerzenaufstellen und unser frommes häusliches Brauchtum?! Wir treiben (Ablass)-Handel mit Gott. "Ich gebe Dir etwas, und Du gibst mir das, was ich mir wünsche" (Glück, Gesundheit, Geld). Wir treten Gott gegenüber "in Vorleistung", machen Gott zu unserem "Schuldner". Absurder geht es nicht! Gott ist niemals unser Schuldner,  während vielmehr wir Ihn nur um Gnade für unsere Schlechtigkeit anflehen dürfen. Demzufolge äußert sich ein starker Glaube darin, dass ich von mir aus versuche, alles nach Gottes willen zu tun - und es Gott überlasse, wie Er die Sache ausgehen lässt, - wissend, dass der Herr mir das geben wird, was meinem Wohl zuträglich ist. So fürchte ich mich vor nichts, kann ich nicht in meiner Erwartung enttäuscht werden und lebe in völliger Harmonie mit meinem Schöpfer. Das ist ein Leben nach dem Glauben, nicht nach Gutdünken.

Nach Gottes Willen handelte z.B. der römische Zenturio in Kapernaum (s. Mt. 8:5-13; Lk. 7:1-10), dessen Glaube in ganz Israel seinesgleichen suchte. Was war denn so Besonderes an seinem Glauben? - Dass er dem Herrn zutraute, seinen Diener aus der Ferne zu heilen? Das sicher auch. - Sein Einfühlungsvermögen gegenüber dem Herrn, Den er ja in die Bredouille gebracht hätte, wenn Dieser in das Haus eines Heiden gekommen wäre? Gewiss auch das. - Doch vor allem eines: der römische Hauptmann bat nicht für sich selbst, sondern für einen anderen, und noch dazu einen Sklaven! Wir hingegen können Gott für uns und für unsere Liebsten tränenreich anflehen, aber können wir genauso z.B. für ein fremdes Kind beten?

Letzte Woche gedachten wir des Verrats des Herrn, feierten wir mit Ihm das Mystische Abendmahl in Seinem Leib und Blut, standen weinend an Seinem Kreuz und trugen Ihn zu Grabe in Erwartung Seiner Auferstehung. All das benötigen wir, um einen lebendigen Glauben zu haben, und all das haben wir, wodurch unser Glaube ein zutiefst persönlichicher ist, denn in Abendmahl, Kreuztod und Auferstehung sind wir mit Christus, unserem Gott, vereint. Diese Erfahrung der lebendigen Gemeinschaft mit unserem Gott eint uns doch alle miteinander! Wer, folglich, diese lebendige Erfahrung für Humbug hält, ist einer, der womöglich seine Osterspeisen vom Batjuschka in der Kirche segnen lässt und mit seinen Anglerfreunden mit Vodka auf das schöne Fest anstößt, aber so einer glaubt nicht (zumindest nicht wirklich)! So einer hat den Unterschied zwischen Glaube und Folklore immer noch nicht begriffen.

Glaube hat primär mit der Glut des Herzens durch die lebendige Erkenntnis des Auferstandenen Christus im Mysterium des Leibes und des Blutes Christi zu tun (s. Lk. 24:30-35). So glaubt man, ohne zu sehen (s. Joh. 20:29; vgl. Röm. 8:24-25). Das ist die Seligkeit der Auserwählten im Reich Gottes. Amen.  

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch