Predigt zur Internationalen Gebetswoche der Evangelischen Allianz in Weimar Ort: Marie-Juchecz-Saal, Stadtverwaltung Weimar Thema: „Als Pilger und Fremde unterwegs. Josef - Am Ende wird es gut“ (Gen. 50: 17-20) (15.01.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

der zur heutigen Homilie angebotene Text ist, obwohl ein Bibelzitat, auf einer faktischen Unwahrheit begründet. Die älteren Brüder des Josef, der in Ägypten bekanntlich zum Vizekönig aufgestiegen war, befürchteten nach dem Tode ihres gemeinsamen Vaters Jakob die Rache ihres zuvor totgeglaubten jüngeren Bruders für ihren vor Jahren begangenen schändlichen Verrat. Deshalb legten sie ihrem sterbenden Vater folgende Worte in den Mund: "So sagt zu Josef: ´Vergib doch deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan. Nun also vergib doch die Untat der Knechte des Gottes deines Vaters!` Als man ihm diese Worte überbrachte, musste Josef weinen. Seine Brüder gingen dann auch selbst hin, fielen vor ihm nieder und sagten: ´Hier sind wir als deine Sklaven`. Josef aber antwortete ihnen: ´Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Stelle? Ihr habt Böses gegen mich im Sinn gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten`." (Gen. 50:17-20).

Warum ich die hintergründige Unwahrheit hier so hervorhebe, - dazu später mehr. Zunächst etwas Grundsätzliches über unsere heutige Zusammenkunft.

Der Wunsch nach einem geistlichen Wort am heutigen Tag wurde einem orthodoxen Priester angetragen; also werde ich mich dieser Herausforderung stellen, und zwar so, wie ich es in meiner Heimatgemeinde zu tun pflege. Eine Predigt ist "eine Rede über ein biblisches, kirchliches, (kirchen-)historisches, tagespolitisches oder sonstiges Thema mit dem Ziel der geistlichen Erbauung der Zuhörerschaft. So oder so ähnlich lautete (sinngemäß) die Definition, die wir als Theologiestudenten im Fach Homiletik vor über dreißig Jahren verinnerlicht haben. Letztlich sind der Kreativität des Predigenden keinerlei Grenzen gesetzt (bis auf den Verzicht auf unbotmäßige Vergleiche, Scherze und dergleichen - s. Kol. 3:8), solange das Ziel - das Seelenheil - im Vordergrund der Betrachtung steht. Der serbische Heilige, Bischof Nikolai (Velimirovic, +1956), ein begnadeter Prediger und Theologe des letzten Jahrhunderts, schreckte dabei auch schon mal vor Experimenten nicht zurück. Seine Studenten, die seine rhetorischen Kapazitäten ausreizen wollten, fragten ihn einmal, ob er auch aus dem Stegreif zu jedem beliebigen Thema, und das unter Realbedingungen, eine Predigt halten könne. Als er seine Zustimmung für einen Feldversuch gab, wurde ihm wenige Sekunden vor dem Gang zur Predigerkanzel in der vollbesetzten Kathedrale seines Bistums ein Zettel mit dem "Thema" für die Predigt in die Hand gegeben. Als der heilige Nikolai einen leeren Zettel sah, hielt er eine inspirierte Predigt darüber, wie Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hatte... Ein anderer gottweiser Orator gewann den vielen heidnischen Altären in Athen eine gute Seite ab, lobte die Athener als "besonders fromme Menschen" - und verkündete ihnen den "Unbekannten Gott", den Mensch Gewordenen, Gekreuzigten und am dritten Tage Auferstandenen, den sie, ohne Ihn zu kennen, bereits mit einem Altar verehrten (s. Apg. 17:22-23)!

Heute stehe ich also vor der Herausforderung, über einen fabrizierten Text zu sprechen, eine Notlüge, welche sich die älteren zehn Söhne Jakobs ausgedacht hatten, um dem Zorn ihres mächtigen Bruders zu entgehen. Die Heilige Schrift - das wissen wir - ist in ihrer Gesamtheit das Buch der Wahrheit, und zwar der absoluten göttlichen Wahrheit. Dennoch enthält es im Detail auch Unwahrheiten - allen voran die verleumderische Hinterlist der Schlange, die unsere Ureltern zur Untreue gegen Gott anstachelte (s. Gen. 3:1-6). Die Heilige Schrift legt ja Zeugnis von Gottes Vollkommenheit in einer unvollkommenen Welt ab. So kann in der real existierenden Welt Wahrheit (s. Joh. 14:6) ja nur triumphieren, wenn sie der Lüge (s. Joh. 8:44) die Stirn bietet; Freiheit (s. 2. Kor. 3:17) kann nur zur Geltung kommen, wenn sie über die Sklaverei (s. Röm. 6:20) die Oberhand gewinnt; und das Leben (s. Joh. 5:26) kann nur dann aufstrahlen, wenn ihm der Tod (s. Jes. 25:8) unterworfen ist. Mit anderen Worten: für einen glänzenden Sieg braucht es unbedingt einen furchterregenden Widersacher, jedes mildtätige Werk erfordert immer eine leidvolle Ursache und für ein glückliches Ende bedarf es stets einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse. In der Bibel ist es nicht anders. Die Kinder Gottes sind berufen, das Licht Gottes in der Finsternis erscheinen zu lassen (s. 1 Joh. 2:5-7). Gott ist der Lenker, wir sind Seine Gehilfen, die sich "nicht vom Bösen besiegen" lassen, sondern "das Böse durch das Gute" besiegen sollen (Röm. 12:21). In diesem Licht verstehen wir die beruhigenden versöhnlichen Worte Josefs: "Ihr habt Böses gegen mich im Sinn gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten" (Gen. 50:20).

In der theologischen Betrachtung der Kirche dient Josef als eines der lebendigen Urbilder Christi, des Erlösers. Josef wurde von seinen Nächsten verraten,  verleumdet und zuunrecht verurteilt, wurde misshandelt und kam, von allen verlassen und vergessen, in den Kerker. Das war aber der Ausgangspunkt für seine spätere Erhöhung in Ägypten. Damit wurde im Voraus die freiwillig auf sich genommene Erniedrigung Christi angedeutet, durch die erreicht werden konnte, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten. Wie durch Josefs weise Regentschaft im Nachgang seiner Erniedrigung zahlreiche Menschen vor dem Hungertod bewahrt wurden, so öffnete sich durch den Tod und die Auferstehung Christi das Tor zum Leben für alle, die an Ihn glauben. Das Böse in der Welt dient letztlich dazu, um das Gute hervorzubringen. Gott sprach zum Pharao, der Israel vierhundert Jahre nach Josef nicht ziehen lassen wollte: "Ich habe dich aber am Leben gelassen, um Meine Macht zu zeigen und Meinen Namen auf der ganzen Erde bekannt zu machen" (Ex. 9:16; vgl. Röm. 9:17). Auch Herodes, Pilatus, Kaiphas, selbst Judas waren doch Werkzeuge in Gottes Händen, ganz gewiss auch - das sage ich, ohne missverständlich klingen zu wollen - Lenin, Hitler und Stalin, am Ende sogar der Teufel. Der Herr spricht: "Ich gewähre Gnade, wem Ich will, und Ich schenke Erbarmen, wem Ich will" (Ex. 33:19; vgl. Röm. 9:15). "Also kommt es nicht auf das Wollen und Streben der Menschen an, sondern auf das Erbarmen Gottes ... Er erbarmt Sich also, wessen Er will, und macht verstockt, wen Er will" (Röm. 9:16,18). "Heißt das nun, dass Gott ungerecht handelt? Keineswegs! (Röm. 9:14). "Wer bist du denn, dass du als Mensch mit Gott rechten willst? Sagt etwa das Werk zu dem, der es geschaffen hat: ´Warum hast du mich so gemacht?` Ist nicht vielmehr der Töpfer Herr über den Ton? Kann er nicht aus derselben Masse ein Gefäß herstellen für Reines, ein anderes für Unreines? Gott, Der Seinen Zorn zeigen und Seine Macht erweisen wollte, hat die Gefäße des Zorns, die zur Vernichtung bestimmt sind, mit großer Langmut ertragen, (...) um an den Gefäßen des Erbarmens, die Er zur Herrlichkeit vorherbestimmt hat, den Reichtum Seiner Herrlichkeit zu erweisen" (Röm. 9:20-23).  

Ich denke, diese Worte sind Warnung und Zurechtweisung genug für all die unter uns Christen, welche liebend gerne Gott die Zügel aus der Hand reißen und an Seiner Statt selbst beim Weltgeschehen Regie führen würden. Wer so fühlt und denkt, der hat die biblische Botschaft von grundauf missverstanden. Von der ersten bis zur letzten Seite - von der Verführung durch die Schlange im Paradies bis hin zur Apokalypse - geht es durchweg darum, dass der Teufel sich in Gottes Heilsgeschehen einzumischen versucht. Und immer ist das Ende, das Gott Seinen Getreuen bereitet, noch viel besser, als es das ohne den Widerstand des Bösen gegeben hätte (s. Joh. 2:10; Hebr. 8:6; 10:34; 11:35,40). Der Teufel ist gewissermaßen auch darauf "spezialisiert", Gott ins Erlösungswerk zu pfuschen; aber wenn wir, statt Diener Gottes zu sein, selbst "Gott spielen" wollen, - sei es durch "Besserwisserei" in globalen und persönlichen Belangen ("Warum lässt Gott soetwas zu?!"), sei es durch willkürliche Uminterpretation der kirchlichen Überlieferung und der ethischen Normen, vergehen wir uns an unserer Berufung als "Gottes Mitarbeiter" (1. Kor. 3:9). Dann werden wir zu Tatgenossen der bösen Winzer, welche zur Erntezeit nicht die Früchte abliefern wollten und stattdessen mit allen Mitteln versuchten, sich des Weinbergs des Herrn zu bemächtigen (s. Mt. 21:33-46;  Mk. 12:1-12; Lk. 20:9-19).

Wenden wir uns aber erneut den Worten Josefs zu: "Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Stelle?" Josef ist, das sagten wir bereits, eine bildhafte Vorandeutung Christi des Erlösers. Dieser war "Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern Er entäußerte Sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; Er erniedrigte Sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat Ihn Gott über alle erhöht und Ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: ´Jesus Christus ist der Herr` - zur Ehre Gottes des Vaters" (Phil. 2:6-11). Wie Josef auf den Gebrauch seiner von Gott gegebenen Macht (s. Joh. 19:11; Röm. 13:1) verzichtet, so hielt auch Christus nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Er ist doch ein Gott der Liebe (s. 1 Joh. 4:8,16), Er verzichtet bei unserer Bekehrung zum Glauben auf Seine göttliche Macht, entäußert Sich stattdessen aus Liebe zu uns, wird wie einer von uns. Der Herr des Alls wird wie ein Sklave, um uns zu dienen (s. Mt. 20:28; Mk. 10:45) und für uns das Heil zu bewirken!

Die Brüder hatten Böses gegen Josef im Sinn gehabt, Gott hatte dabei aber Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten. Der Heiland ließ Sich von Seinem Volk ans Kreuz schlagen, um zu erreichen, was heute geschieht: dass viele bis dahin fremde Menschen durch den Glauben an Ihn und die Gemeinschaft mit Ihm das ewige Leben erlangen.

 

Mir kommt bei solchen Betrachtungen oftmals folgender Gedanke: Nur mal angenommen, alle Religionen wären reine Erfindung, und ihre Stifter - Christus, Mohammed, Buddha, Krishna - wären nachweislich bloß imaginäre Helden phantasievoller, interessanter und inspirierender, jedoch jegliche Beziehung zur historischen Wahrheit entbehrender Bücher. Wenn ich dann also, immer eingedenk der unausweichlichen "Tatsache", dass es ja keinen Gott, kein Paradies und kein Leben nach dem Tod gibt, mir unter all diesen auf einem Fragebogen verewigten "Religionsmärchen" eine Theorie des Seelenheils aussuchen dürfte, würde ich am Ende ohne jeden Zweifel bei Jesus Christus mein Kreuz machen. Diese Geschichte unserer Errettung ist einfach zu großartig, - zu schön, um unwahr zu sein.

Nun besteht aber für uns Gläubige ja kein Zweifel an der Historizität der biblischen  Heilsgeschichte. Wenn Propheten zu den unterschiedlichsten Epochen, unter sozio-kulturell sich ständig verändernden Bedingungen und an den verschiedensten Orten die Geburt, das Wirken, das Leiden, den Tod, die Höllenfahrt, die Auferstehung, die Himmelfahrt Christi und die Herabsendung des Heiligen Geistes durch Jesus Christus verkündet haben, dann kann kein Zweifel an der Authentizität der Frohen Botschaft vom Heil bestehen. Männer, die durch mehrere Jahrhunderte, riesige Entfernungen und die verschiedensten Königreiche voneinander getrennt waren, können sich nicht miteinander abgesprochen haben (selbst die sozialen Netzerke unserer Zeit vermögen nicht, Zeitbarrieren zu überwinden). Und doch wurde das Evangelium zum Globalisierungsfaktor in der antiken Welt und im Mittelalter, und ist es bis heute - bezeugt durch das Blut unzähliger Glaubenszeugen seit damals bis heute. Ihr Zeugnis belegt, dass die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes, von der Menschwerdung des Logos, vom Tode und der Auferstehung Christi "nicht vom Menschen" stammt (Gal. 1:11). Wenn unser Glaube also für uns der schönste, dazu historisch verbürgt und auch noch durch belastbare empirische Belege göttlichen Ursprungs ist - sind wir dann nicht die glücklichsten Menschen der Welt?  Ich denke, das sollte in diesem Kreise doch mal gesagt werden dürfen! Ich jedenfalls bin froh und stolz, Christ zu sein! Und dieses Bekenntnis verwende ich bewusst als Überleitung zum Thema der diesjährigen Internationalen Gebetswoche: "Als Pilger und Fremde unterwegs".

Wenn hunderttausende von Menschen fremder Kulturen in unser wohlhabendes und sicheres Land kommen, weil sie in ihrer Heimat Schreckliches erlebt bzw. überlebt haben, weil ihnen dort Tod, Folter und Unterdrückung droht, dann hat Gott dabei "Gutes im Sinn"; auch wenn die Menschen nicht vor Krieg und Verfolgung flüchten, sondern vor Hunger und Not infolge von Naturkatastrophen, oder aus purer ökonomischer Perspektivlosigkeit den beschwerlichen und lebensgefährlichen Weg nach Europa auf sich nehmen, geschieht dies ebenso im Einklang mit Gottes Plan; selbst wenn die Fluchtursachen auf Unwahrheiten basieren (vgl. Gen. 42:13) und hinter den hunderttausendfach gemachten falschen Angaben zur Person kriminelle Biographien oder extremistische Gesinnung verschleiert werden sollten, und selbst wenn die Unterstellung wahr wäre, sie alle seien nur gekommen, um dem Gastland Schaden zuzufügen (s. Gen. 42:9), selbst dann hätte Gott nur "Gutes im Sinn". Gutes tun kennt keine Obergrenze - selbst dem ärgsten Feind gegenüber nicht.  "Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt" (Röm. 12:20). Jedoch: gütig und zugleich gerecht sein (s. Ps. 84:11) ist nur möglich, wenn es in Gottes Namen und nach Gottes Willen geschieht. Ist das gewährleistet, gibt es keinen Fluch der guten Tat. Gute Werke - Fremdenliebe, Gastfreundschaft, Willkommenskultur, Hilfsbereitschaft etc. sind das eine. Sie müssten für Christen eigentlich selbstverständlich sein. Trotzdem darf man nicht die Gefahr übersehen, die besteht, wenn man dabei über das Ziel hinausschießt und sich als irdisch gesinnte Menschen nicht auf das einlässt, "was vom Geist Gottes kommt" (1 Kor. 2:14).

Wir sprachen letztes Jahr zur Internationalen Gebetswoche angesichts des Reformationsjubiläums über den Glauben. Mein Thema damals konnte protestantischer kaum sein: "Der Glaube allein". Bekanntermaßen baut der Apostel Paulus seine Argumentation darauf auf, dass die toten Werke des Gesetzes, auf die sich die damaligen Judenchristen beriefen, keinerlei Rechtfertigung brachten. Die Heilige Schrift als solche ist aber an die Menschen aller Epochen und aller Nationen gerichtet. Was vor zweitausend Jahren noch die Werke des Gesetzes waren, die damals von den Empfängern der Sendschreiben an die Römer und Galater als einziges Allheilmittel angesehen wurden, sind die "Taten des Leibes" (Röm. 8:13) unserer Zeit, womit gar nicht mal nur die unsere Gesellschaft kennzeichnende sexuelle Freizügigkeit gemeint ist. Es ist vielmehr vom weltlichen, horizontalen Denken schlechthin die Rede, das keine Vertikale kennt. "Wir sind nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder, so dass wir nach dem Fleisch leben müssten" (Röm. 8: 12). Genannten Werken stellt der Apostel die Werke des Glaubens entgegen, die allein imstande sind, die Gnade Gottes in der Welt wirksam werden zu lassen. Und in diesem Sinne überragen diese Gott gefälligen Werke alle Werke einer humanistischen Grundüberzeugung. Das Neue Testament führt den Stammvater Abraham als Musterbeispiel für Werke des Glaubens an (s. Jak. 2:21-24; Röm. 4:1-25; Hebr. 11:17-19). Wäre Abraham zeitgenössischer "Humanist" gewesen, hätte er seinen Sohn niemals auf den Scheiterhaufen gebracht. Aber der Glaube, der hinter dieser Tat stand, "wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet" (Jak. 2:23; Röm. 4:3,9). Vermeintliche gute Werke hingegen, wie die inzwischen mit totalitären Mitteln propagierte "Toleranz" und "Selbstbestimmung" stehen für "das Trachten des Fleisches", das "Feindschaft gegen Gott" ist (Röm. 8:7). Am deutlichsten bringt es unser Herr Jesus Christus Selbst zum Ausdruck, nachdem Petrus Ihn aus "Menschenfreundlichkeit" vom Leidensweg abhalten wollte: "Weg mit dir, Satan, geh Mir aus den Augen! Du willst Mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen" (Mt. 16:23).

Das überhandnehmende materialistische Denken kann nicht ohne Folgen bleiben. "Achtet also sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht töricht, sondern klug" (Eph. 5:15). Wenn sich jedoch die Ex-Ratsvorsitzende der EKD wiederholt dazu bekennt, nicht an die jungfräuliche Geburt unseres Herrn zu glauben, sollte bei allen Christen die Treue zum Glauben höher angesiedelt sein als Werte wie Toleranz und Meinungsfreiheit. Es geht mir ja nicht um die öffentlich-rechtliche Verbrennung eines Talk-Show-Dauergastes, sondern um eine klare Positionierung von Christen - allen voran der zuständigen Kirchenleitung - zu einer eindeutigen Ketzerei (s. Mt. 1:18,20,21-23; Lk. 1:34-35). Oder ist es in den Augen von Christen jedweder Konfession eine Lappalie, wenn sich jemand über den Kanon der Heiligen Schrift stellt und angibt, aufgrund eines "Übersetzungsfehlers" von Jes. 7:14 das zentrale christologische Dogma unseres Glaubens in Frage stellen zu dürfen? Auf diesen Schwachsinn kamen selbst die kühnsten Häretiker der Epoche der Ökumenischen Konzile nicht. Sind denn die unzähligen Märtyrer für den gekreuzigten Sohn eines Zimmermanns gestorben?!.. Denn ist der Vater Jesu Josef gewesen, dann wäre Christus nicht Sohn Gottes, sondern ein jüdischer Wanderprediger; dann wäre auch unser Evangelium Makulatur. Einer Petra Gerster könnte man das aus "Toleranz" vielleicht durchgehen lassen, nicht aber einer einflussreichen Persönlichkeit des kirchlichen Lebens! Ja wenn selbst die Muslime die Mutter Jesu als Jungfrau ehren, dann ist es schon erstaunlich, dass so eine Einlassung ohne spürbare Konsequenzen bleibt. Solcherart Toleranz führt nur dazu, dass Glaubensinhalte der Beliebigkeit preisgegeben werden. Es geht auch anders.

In einer Bezugnahme zu derartigem Gerede schreibt der Apostel Paulus an seinen Schüler Timotheus: "Ruf ihnen ins Gedächtnis und beschwöre sie bei Gott, sich nicht um Worte zu streiten; das ist unnütz und führt die Zuhörer ins Verderben. Bemüh dich darum, dich vor Gott zu bewähren als ein Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht, als ein Mann, der offen und klar die wahre Lehre vertritt. Gottlosem Geschwätz geh aus dem Weg; solche Menschen geraten immer tiefer in die Gottlosigkeit, und ihre Lehre wird um sich fressen wie ein Krebsgeschwür" (2 Tim. 2:15-17). Damit wir uns aber nicht von der ursprünglichen Lehre abbringen lassen, ruft uns der Lieblingsjünger des Herrn ins Gedächtnis: "Für euch gilt: Was ihr von Anfang an gehört habt, soll in euch bleiben; wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, dann bleibt ihr im Sohn und im Vater. Und Seine Verheißung an uns ist das ewige Leben. Dies habe ich euch über die geschrieben, die euch in die Irre führen" (1 Joh. 2:24-26). Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, ist "konservativ sein" in wesentlichen Dingen eine rühmliche, weil heilsnotwendige Eigenschaft.

Beim heutigen Thema "Als Pilger und Fremde unterwegs" gilt es für uns Christen demnach umso mehr, "nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt" zu sein (Röm. 8:9). Wenn z.B. der Bischof der Bundeshauptstadt öffentlich dazu aufruft, die dramatisch zunehmenden Christenverfolgungen in muslimischen Ländern doch bitte nicht zu thematisieren, können nicht einmal Nächstenliebe und Respekt vor dem Glauben anderer als Motiv herhalten. Wenn man dann angesichts der rasant wachsenden muslimischen Bevölkerung in Westeuropa besorgt darauf hinweist, dass unabhängigen Erhebungen zufolge in keinem (!) der 67 mehrheitlich muslimischen Länder wirkliche Religionsfreiheit nach international anerkannten Standards herrscht, wird man sofort als intolerant und islamfeindlich dargestellt. - Wer bestimmt denn, welche Wahrheit publik gemacht werden darf, und welche unter den Teppich gekehrt werden soll?!..

Sicherlich können wir die bei uns neu beheimateten Fremden nicht dafür verantwortlich machen, was in ihren Heimatländern geschieht, wohl aber dafür, was bei uns geschieht. Wenn wir Werte wie gegenseitigen Respekt und Toleranz ernst nehmen wollen, muss es bei uns in Europa genauso selbstverständlich sein, dass sich z.B. ein muslimisch aufgewachsenes Mädchen völlig furchtlos zum Christentum bekehrt, wie es längst schon selbstverständlich ist, dass bärtige Männer in den Fußgängerzonen unserer Städte Jugendliche öffentlich für ich weiß nicht was rekrutieren können. Tatsächlich aber muss in der heutigen Realität die gebürtige Pakistanerin Sabbatina James als christliche Konvertitin im Untergrund leben, während deutschstämmige Salafisten vom Schlage eines Pierre Vogel in medialer Omnipräsenz über den Glauben ihrer Eltern und Großeltern lästern dürfen. Und weiter: warum können zwei in Deutschland geborene muslimische Jugendliche es mitten in Berlin wagen, einen Flüchtling aus dem Mittleren Osten krankenhausreif zu schlagen, weil dieser ein Kreuzchen um den Hals trägt?.. Toleranz ist keine Einbahnstrasse und darf nicht zum Missbrauchsobjekt mutieren! Damit sich solche Zustände sehr bald in unserem multikulturellen Miteinander ändern, müssen Politik und Gesellschaft die Moscheengemeinden ohne falsch verstandene Diplomatie in die Pflicht nehmen. Engagierte Werke des Glaubens als Alternative zum Mainstream sind gefragt, wenn am Ende alles gut werden soll!!! Sonst begehen wir Verrat an der Wahrheit, an der Zukunft, an uns selbst. Unsere Kinder werden es uns danken, wenn sie dereinst zu Pilgern und Fremden im eigenen Land werden. Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch