Predigt zum 32. Herrentag nach Pfingsten, Herrentag vor Theophanien, Fest der Beschneidung des Herrn, Gedächtnis des hl. Basilios des Großen (2 Tim. 4:5-8; Kol. 2:8-12; Hebr. 7:26-8:2; Mk. 1:1-8; Lk. 2:20-21, 40-52; Lk. 6:17-23) (14.01.2018 )

Liebe Brüder und Schwestern,

 

nur drei Feste des Kirchenjahres haben jeweils einen liturgisch erfassten Samstag und einen Sonntag "vor" bzw. "nach" dem eigentlichen Fest: die Kreuzerhöhung, die Geburt und die Taufe Christi, womit schon viel über die Bedeutung dieser Feste gesagt ist. Der Kalender will es heuer aber, dass mit dem heutigen Herrentag vor Theophanien zusätzlich zwei weitere bedeutungsvolle Feste einhergehen - die Beschneidung des Herrn und das Gedächtnis des hl. Basilios des Großen. Das Neujahrsfest (heute ist der 1. Januar nach dem Julianischen Kalender) ist dagegen kein kirchlicher Feiertag, zumal ja das Kirchenjahr am 1./14. September beginnt.

Zu Ehren des Herrentags vor Theophanien lesen wir heute aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an seinen Ziehsohn Timotheus: "Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst! Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf Sein Erscheinen warten" (2 Tim. 4:5-8).

Was wir hier lesen, ist das Vermächtnis des Ziehvaters an sein geistliches Kind. Ein solches Vermächtnis dient folgenden Zielen:

  1. a) Vorkehrungen für die Zeit "danach" treffen,
  2. b) den "Erben" trösten,
  3. c) ihn für die bevorstehenden Herausforderungen zu motivieren.

Anhand dieser Betrachtungsweise werden die Dinge deutlich. Die "Nüchternheit" bezieht sich nicht so sehr auf den  enthaltsamen Lebenswandel des über alle Zweifel erhabenen Lieblingsschülers (vgl. 1 Tim. 5:23), sondern auf die zuvor angesprochene Bedrohung, die wir hier gerne komplett anführen, um zu erkennen, dass diese prophetischen Worte mit erstaunlicher Genauigkeit in unserer Zeit eingetreten sind: "Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei Seinem Erscheinen und bei Seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden" (2 Tim. 4:1-4).   

Timotheus muss den Tatsachen ins Auge sehen, denn er rüstet sich für den unausweichlichen Kampf (vgl. Phil. 1:30; Kol. 2:1; 1 Thess. 2:2; 1 Tim. 6:12; Hebr. 10:32). Sein Lehrmeister wird nun bald geopfert werden. Der Apostel bezieht sich bei diesem Vergleich auf das Trankopfer, das dem alttestamentlichen Brandopfer beigemengt wurde (s. Ex. 29:40; Num. 15:5). Dies ist eine eindeutige Ankündigung seines nahenden blutigen Endes durch das Schwert. Bemerkenswert ist hier aber die Tatsache, dass sich der Apostel nicht mit dem Opferlamm selbst vergleicht, welches als Urbild des "Lammes Gottes" (s. Joh. 1:29; Offb. 5:6; vgl. Hebr. 9:13-14) diente, sondern sich als bescheidene Opferbeigabe betrachtet. Von Überheblichkeit also keine Spur.

Ebenso, um Timotheus zu stärken, und nicht um sich selbst zu rühmen, schreibt der Apostel über den Kampf, den er gekämpft, den Lauf, den er vollendet, und die Treue, die er gehalten hat. Deshalb ist nicht nur dem Paulus, sondern allen, die voller Sehnsucht auf das Erscheinen des Herrn warten, schon jetzt ein Kranz bereitet (vgl. 1 Kor. 9:25). Doch Glaubensgerechtigkeit erlangt man nach diesen Worten vor allem durch das sehnsüchtige Harren der Wiederkunft Christi. Dabei hilfreich sind unsere Feste, die uns am göttlichen Leben teilnehmen lassen.

Das Fest der Beschneidung des Herrn scheint im Vergleich zu anderen Herrenfesten wie der Geburt und der Taufe Christi, der Entsendung des Heiligen Geistes, der Himmelfahrt und der Verklärung des Herrn sowie der Erhöhung des Kostbaren Kreuzes weniger bedeutungsvoll zu sein. Es gehört ja auch nicht zu den zwölf Hochfesten (slaw. двунадесятые праздники), sondern ist eine Kategorie tiefer angesiedelt und wird als sog. Großes Fest (slaw. Великий праздник) geführt, gleichrangig mit dem Schutz der Mutter Gottes (Покров, 1. Oktober), der Geburt  und der Enthauptung  Johannes des Täufers (24. Juni bzw. 29. August) sowie dem Fest der Apostelkoryphäen Petrus und Paulus (29. Juni). Es ist aber ein Herrenfest und damit unauslöschlich mit der Fleischwerdung Christi verbunden. So wie der Leib ohne seine zweitrangigen Organe nicht existieren könnte oder zumindest nicht vollwertig wäre, so ist selbst das Fest aller Feste ohne die anderen, es ergänzenden Feste, undenkbar. Wie im Körper jedes Organ und jedes Glied seinen Zweck erfüllt, so ist es auch mit allen Festen des Herrn. Und so ergibt sich die Bedeutung der Beschneidung des Herrn aus der Unterwerfung des Gottmenschen Jesus Christus unter das Gesetz Gottes. In der Begegnung des Herrn am vierzigsten Tag nach der Geburt Christi wird der geistliche Aspekt der Befolgung des göttlichen Gesetzes hervorgehoben, in der Beschneidung der Vorhaut (s. Gen. 17:10-14) aber wird die Gesetzestreue dem Leibe nach betont. Der Sohn Gottes nahm ja unsere ganze Natur an, damit der ganze Mensch - bestehend aus Seele und Leib - erlöst und an der Auferstehung teilhaben könne. Die Beschneidung ist äußerlicher Ausdruck der freiwilligen Erniedrigung (gr. Kenosis) des Herrn um unsere Heiles Willen. Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch