Predigt zum 4. Herrentag nach Ostern / vom aufgerichteten Gelähmten (Apg. 9: 32-42; Joh. 5: 1-15) (07.05.2017)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

heute steht ein Mann im Blickpunkt unserer Betrachtung, der nach 38 Jahren Bettlägrigkeit und vollkommener Einsamkeit (s. Joh. 5: 7) ohne irgendwelche Vorbedingung durch unseren Herrn Jesus Christus am Teich Betesda geheilt wird - an einem Sabbat. Später, bei einer erneuten Begegnung mit dem Herrn im Tempel, ergeht an ihn die Mahnung: "Jetzt bist du gesund; sündige nicht mehr, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt" (Joh. 5: 14). Wie wir wissen, verpetzt dieser Mann seinen Wohltäter danach bei den Juden dafür, dass Er ihn an einem Sabbat geheilt hat, worauf die Feinde Christi eine neue Verfolgung gegen den Herrn initiieren (s. 5: 15-16). Es gibt sogar eine Überlieferung, derzufolge es dieser Mann gewesen ist, der unseren Herrn Jahre später beim Verhör vor dem Hohenpriester ins Gesicht geschlagen hat (s. Joh. 18: 22). Unvorstellbar, nicht wahr? - Dachte ich auch immer. Doch gerade letzten Sonntag trat nach der Liturgie eine Frau zu mir und fragte, ob ich mich noch an sie erinnerte. Als ich diese Frage verneinte, half sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge: vor drei Jahren war sie in Tränen zu mir gekommen und erzählte von ihrem ungetauften Ehemann, der Krebs im Endstadium hatte. Ich schlug damals vor, den Mann, sofern er es wünschte und an Gott glaubte, auf dem Sterbebett zu taufen, was dann auch geschah. Seither aber hatte ich nichts mehr von ihnen gehört. Jetzt aber erscheint die Frau und erzählt, der Mann sei nach der Taufe vollkommen gesund geworden, doch die Ehe sei auseinandergebrochen, weil der Ehemann nun andauernd untreu sei. Außerdem hätten ihn damals, - so die Aussage des Mannes, - die Ärzte geheilt (was durchaus sein kann - ich weiß es nicht). Für mich bedarf es aber keinerlei weiterer Belege dafür, dass das, was gut für den Leib ist, nicht unbedingt gut für die Seele sein muss. Dabei würde uns Gott liebend gerne beides geben: zeitliches und ewiges Glück, - vorausgesetzt, die Prioritätensetzung stimmt (vgl. Mt. 6: 33). Die eine Woche vor dem Herrentag des undankbaren Geheilten gemachte Erfahrung ruft bei mir die Geschichte von den zwei Engeln ins Gedächtnis, welche ein gerade Verstorbener auf dem Weg zum Paradies erblickte: der eine flog unentwegt von der Erde zum Himmel rauf und runter, während der andere gelangweilt vor der Himmelspforte saß. Als der neue Himmelsbewohner seinen Schutzengel fragte, weshalb dies so sei, antwortete ihm dieser, der eine Engel überbringe die Bittgesuche, der andere sei für die Dankesbotschaften zuständig... (vgl. Lk. 17: 17).

Darüber hinaus stelle ich seit Jahren fest, dass bei uns Christen kurz nach Abflauen der Osterfreude der Alltag schneller als gedacht einkehrt. Wir sind nicht wirklich fähig, uns über die Auferstehung Christi zu freuen, - höchstens über das Ende der langen Fastenzeit und über das fröhliche Beisammensein im Familien- und Freundeskreis. Klar unterscheiden wir uns von den Ein-Mal-im-Jahr-Orthodoxen, die nur ihre Ostereier vor der Kirche segnen lassen; für die sind die Worte "Christus ist auferstanden" Folklore, während wir wahrhaftig und bewusst an die Auferstehung Christi glauben, - aber eben nur als an ein Ereignis, das vor zweitausend Jahren stattfand und für unser irdisches Leben keine empfindbare Wirkung entfaltet. Damit tragen wir jedoch selbst dazu bei, dass wir nicht restlos glücklich sind. Unsere Vorfahren pflegten noch zu sagen: "Das wichtigste Ereignis in meinem Leben war die Auferstehung Christi". Und wir singen während des sonntäglichen Orthros: "Die Auferstehung Christi haben wir geschaut". Wer kennt nicht diese wahrnehmbare Freude der Auferstehung, vor allem nach dem Empfang der Heiligen Gaben?! Dadurch wird die Auferstehung für einen Christen immer aktuell!.. Und in der Osternacht lauschen wir jedes Jahr den Worten des hl. Johannes Chrysostomos: "AUFERSTANDEN ist Christus und gefallen sind die Dämonen. AUFERSTANDEN ist Christus und die Engel freuen sich. AUFERSTANDEN ist Christus und das Leben triumphiert. AUFERSTANDEN ist Christus und kein Toter im Grabe". Noch deutlicher?! - Bitte sehr: "Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos" (1. Kor. 15. 14).

Auf die Reinheit des Herzens kommt es also an, welche die Myronträgerinnen an den Tag legten, als vom rationalen Standpunkt alles vorbei und umsonst zu sein gewesen schien. Sie standen dem Herrn nicht nur dann bei, als Er von Seinen Jüngern verlassen, von allen verspottet und von der geistlichen Obrigkeit verurteilt am Kreuze litt, sondern auch, als das von der Menge der Schaulustigen erwartete Wunder des Herabsteigens vom Kreuz ausblieb (s. Mt. 27: 50;  Mk. 15: 36). Die Frauen waren dem Herrn auch über Seinen Tod hinaus im Herzen treu geblieben, während die von Kognition geleiteten Männer da längst mit ihrer Hoffnung am Ende waren (s. Lk. 24: 21) und sich hinter verschlossenen Türen wegduckten. Dieser wahre Glaube, offenbart in der hingebungsvollen Liebe zum Herrn, und nicht im schnöden Vorteilsdenken (s. Mk. 10: 37), birgt in sich die Kraft zur Gottseligkeit: "Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt und und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu  ermessen, um die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganze Fülle Gottes erfüllt" (Eph. 3: 17-19). Nun denn: AUFERSTANDEN ist Christus und globale Kataklysmen werden zur Randerscheinung. AUFERSTANDEN ist Christus und mein persönliches Leid wird zur Nebensache. AUFERSTANDEN ist Christus und ich darf auf Vergebung meiner Sünden hoffen. AUFERSTANDEN ist Christus und alles in der Welt hat einen Sinn bekommen. - Jetzt liegt es nur noch in meiner Hand bzw. in meinem Herzen: Er ist WAHRHAFTIG AUFERSTANDEN! Amen.

Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch