Predigt zum Hochfest des Einzug des Herrn in Jerusalem (Phil. 4: 4-9; Joh. 12: 1-18) (09.04.2017)

Liebe Brüder und Schwestern, der Festtag des Einzugs des Herrn in Jerusalem hat eine liturgische Besonderheit, die ihn von den übrigen Hochfesten unterscheidet: er hat weder ein Vor- noch ein Nachfest. Alle anderen Hochfeste werfen ihre kirchenkalendarischen Schatten voraus und dauern gemäß biblischer Tradition zumeist eine Woche an (s. Ex. 13: 6; 34: 22; Lev. 23: 34, 39, 41-42; Num. 28: 26; 29: 12; Dtn. 16: 13). Wie im Alten Bund die Festversammlung am siebten bzw. am achten Tag (s. Num. 29: 35; Dtn. 16: 8; Ez. 45: 23) den Abschluss der Feste manifestierte, so finden die christlichen Feste heute ihren liturgischen Abschluss in der kirchlichen Apodosis. Nicht so aber bezüglich des Palmsonntags. Der Vortag ist ja mit dem Gedenken an die Auferweckung des Lazarus ein Festtag für sich; der Tag darauf markiert bereits den Beginn der Passionswoche. Von einem Tag auf den anderen weicht die (kurze) Festtagsfreude der Fokussierung auf den Leidensweg des Herrn. Aber bedeutet das, dass wir unentwegt betrübt umhergehen sollen? - Nein! "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Euere Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren" (Phil. 4: 5b-7). Allen Widrigkeiten des zeitlichen Lebens zum Trotz können und sollen wir uns ständig freuen im Herrn (s. Mt. 13: 44; Joh. 16: 20-22; Jak. 1: 2; 4: 9; 1. Petr. 8: 9; Röm. 14: 17; 15: 13; 2. Kor. 7: 4; 8: 2; Gal. 5: 22; Hebr. 10: 34; 11: 11). Es gibt nichts, das diese Freude, die aus dem Glauben kommt, trüben könnte (s. Röm. 8: 35-39). Der hl. Basilios der Große unterstreicht deshalb, dass der Quell der Freude für Christen niemals versiegt. Selbst wenn diese Freude die Zerknirschung über die eigenen Sünden und das Mitleid mit den Treuernden nicht ausschließt, sind die so vergossenen Tränen doch der Samen und das Unterpfand der ewigen Glückseligkeit (vgl. Joh. 16: 20-22; Ps. 125: 5-6). Daher lohnt es sich angesichts der nahenden Ankunft des Herrn nicht, sich in sinnlose Streitereien mit anderen Menschen zu verwickeln. Wenn das nämlich geschieht, wenn die Sorge um die zeitlichen und materiellen Bedürfnisse überhand nehmen, zeugt das nur davon, dass unsere Freude - und damit auch unser Glaube, - unvollkommen ist. Gott kennt unsere Bedürfnisse (s. Mt. 6: 32b), Er will ja, dass wir uns Ihm zuwenden, in jeder Lage flehend voller Dank unsere Bitten vor Ihn bringen, damit der Frieden Gottes, der alles Verstehen übersteigt, unsere Herzen und unsere Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahrt! Darum soll es uns gehen in diesen wichtigsten Tagen des Jahres. Nicht jeder kann aus nachvollziehbaren Gründen lückenlos an allen Gottesdiensten der Karwoche teilnehmen, aber er kann zumindest in seinem Herzen eine Prioritätensetzung vollziehen, derzufolge das nun näherrückende Heil für ihn das wichtigste Ziel ist. Mein römisch-katholischer Amtsbruder sagte mir einmal: "Wissen sie, wie ich sie um ihren liturgischen Reichtum beneide?!" Diese Worte aus nichtorthodoxem Munde haben mich damals tief berührt. Doch wissen wir denn selbst zu schätzen, was wir seit Jahrhunderten besitzen?! - Die Karwoche ist das Allergrößte, was es gibt! Sie ebnet uns die vom Apostel angesprochene Gemeinschaft mit dem leidenden und auferstandenen Christus, - vorausgesetzt, der Glaube ist echt. Die Probe aufs Exempel folgt zugleich: "Schließlich, Brüder: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein" (Phil. 4: 8-9). So redet einer, der den Frieden Gottes schon empfangen hat und der höchsten Erkenntnis gewürdigt worden war (s. 2. Kor. 12: 1-6). Er weiß bestens damit umzugehen, dass Gott nach Seinem, und nicht nach unserem Willen in allweiser Vorsehung alles zu unserem Wohle fügt (s. ebd. 12: 7-10). Und damit bringt der Apostel alle Voraussetzungen mit, die einen Verkünder der Frohen Botschaft vom Himmelreich auszeichen (s. ebd. 12: 11-13). Er beruft alle dazu, es ihm gleich zu tun. Doch die Messlatte liegt hoch für uns. Auch ich bin "nichts" (2. Kor. 12: 11), und kann mich höchstens, wie alle meine Mitliturgen, meiner Schwachheit rühmen (s. ebd. 12: 9). Doch eines ist auch gewiss: unser Dienst der Sorge um das Heil der uns anvertrauten Seelen nimmt so viel Energie und Zeit in Anspruch, dass uns keinerlei Raum für irgendwelche Nebenbeschäftigungen bleibt (s. Apg. 6: 2). Wenn ich da an die physische und psychische Belastung allein durch die bei uns herrschende Bußpraxis denke (seit jeher das A und O der Seelsorge), während anderswo die Beichte ganz abgeschafft oder praktisch zum Erliegen gekommen ist, wundert es mich nicht, dass unsere KollegInnen viel Zeit für sozialpolitische Experimentierfreude (wie z.B. aus Steuergeld finanzierte Seminare über geschlechtergerechte Theologie) finden und dann noch die Muße haben, Kommentare zu allen möglichen innen- und außenpolitischen Vorgängen abzugeben. Um nichts in der Welt würde ich deren soziale Absicherung gegen unseren Dienst am Altar eintauschen, der uns allein nährt (s. 1. Kor. 9: 13). Und Letzteres ist nicht nur im leiblichen Sinne gemeint. Die zurückliegenden Wochen der Fastenzeit dienten dazu, uns innerlich auf diese eine Große Woche vorzubereiten. Jetzt ist der Moment gekommen, uns für das Kreuz Christi zu entscheiden. Es ist zu einfach, Christus das Leiden und uns die Freude zu überlassen! - Jeder ist aufgefordert, seinen Beitrag im Kampf gegen das Böse in dieser Welt zu leisten, sprich, sein Kreuz auf sich zu nehmen. Es ist noch nicht so lange her, da wurde vielerorts die Ausübung des christlichen Glaubens noch durch staatliche Unterdrückungsmechanismen behindert. Heute können wir Christen - mit Ausnahme unserer Brüder und Schwestern unter islamistischer Herrschaft bzw. in den verbliebenen kommunistischen Ländern - frei unseren Glauben bekennen. Aber der Widersacher wird niemals Ruhe geben. Wir hören heute mit Herzensrührung von der Standhaftigkeit der Märtyrer und Bekenner vergangener Zeiten, und glauben, heute keinerlei Bezug zu ihrem Kampf zu haben. Doch gegenwärtig öffnet sich für viele von uns die Gelegenheit, den Glauben im engsten Familienkreis zu bekennen. Wie oft erleben wir jetzt, dass z.B. Ehemänner ihre Frauen unter Androhung psychischer und physischer Gewalt (und somit unter eklatanter Außerachtsetzung weltlicher Gesetze und moderner sozialer und moralischer Normen) am Gottesdienstbesuch hindern wollen und sie ob ihres praktizierten Glaubens für geisteskrank erklären?! Diese Frauen - und es sind wohl Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen - sind (stille) zeitgenössische Glaubenszeugen Christi!! Sie bejahen ihre Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die sie für Christus ertragen (s. 2. Kor. 12: 10). Ob sie nun am Karfreitag vor dem Grabtuch Christi niederfallen dürfen oder nicht - sie sind in jedem Fall mit Christus vereint in diesen Tagen! Für mich steht außer Zweifel, dass sie kraft ihrer Ausdauer und ihres Mutes auch einen beträchtlichen Beitrag zur Errichtung des Reiches Gottes auf Erden leisten. Dieser Beitrag besteht nicht aus einer bloßen Veränderung der Lebensumstände der Welt, sondern definiert sich sich durch Reinigung des Herzens von der Sünde, womit sich die Welt ja zumindest schon geringfügig verbessern würde. So entscheiden wir uns für ein Leben mit Christus (s. Mk. 8: 34-37)! Das ist die Botschaft dieses Tages! Christus kommt nach Jerusalem... Wir durchleben dieses Ereignis in jeder Liturgie, indem wir gemeinsam im Cherubim-Hymnus singen: "Alle irdischen Sorgen lasset uns nun ablegen". Es ist die fortwährende Erinnerung daran, dass das Reich Gottes in uns sein soll (s. Lk. 17: 21). Wie bitter es doch ist, wenn einige viele meinen, auf den Namen Christi getauft zu sein, aber keine Ahnung davon haben (wollen), dass Christus in ihnen zu leben begehrt (s. Gal. 2: 20a), wodurch sie zu Tempeln des Heiligen Geistes (s. 1. Kor. 3: 16; 6: 19) werden könnten; oder wenn andere sich in der Verkündigung vom Reich Gottes wähnen, selbiges aber nicht in ihrem eigenen Herzen haben! So könnte das Christentum Gefahr laufen (und die Geschichte bietet uns genügend Anschauungsbeispiele), dem Muster des "IS" folgend einem rein durch weltliche Größe definierten Machtstreben zu verfallen. Doch die das tun, haben mit Christus nichts mehr zu tun und sind aus der Gnade herausgefallen (s. Gal. 5: 4). Heute "Hosanna!", morgen "Kreuzige Ihn!"... Wir werden, äußerlich betrachtet, sowieso nicht das Paradies auf Erden erlangen, aber wir haben alle sakramentalen und liturgischen Voraussetzungen, um in der Göttlichen Eucharistie den Tod Christi zu verkünden (s. 1. Kor. 11: 26), um mit Ihm dann in der Auferstehung vereint zu sein (s. Röm. 6: 5). Auch wenn wir gewiss nicht besser als andere sind - darum darf man uns schon beneiden. Amen.
Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch