Predigt zum 4. Herrentag der Großen Fastenzeit - Hl. Johannes Klimakos (Hebr. 6: 13-20; Mk. 9: 17-31) (26.03.2017)

Liebe Brüder und Schwestern, die Lesung der zurückliegenden Woche endete mit den Worten: "Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes in seiner ganzen Macht gekommen ist" (Mk. 9: 1). Es war die Bestätigung der Lehre von den ungeschaffenen Energien Gottes und ihrer sinnlichen Wahrnehmung, - steht diese Ankündigung doch im Zusammenhang mit der Verklärung Christi auf dem Berg, bei welcher die Jünger die Macht und Größe Gottes geschaut haben (s. 2. Petr. 1: 16). Die heutige Lesung folgt auf die Verklärung, die ihrerseits inhaltlich mit dem Leidensweg Christi verknüpft ist (s. Lk. 9: 31). Ein verzweifelter Mann bringt seinen von einem Dämon besessenen Sohn zum Herrn, nachdem die Jünger zuvor in Abwesenheit Christi den bösen Geist nicht auszutreiben vermochten. Und hier kommt es zu einem bemerkenswerten Dialog. Der Vater des Jungen spricht zunächst zu unserem Herrn: "...´Wenn Du kannst, hilf uns; hab Mitleid mit uns!` Jesus sagte zu ihm: ´Wenn Du kannst? Alles kann, wer glaubt`. Da rief der Vater des Jungen: ´Ich glaube; hilf meinem Unglauben!´" (Mk. 9: 22b-24). Dieses rhetorische "Wenn Du kannst?!" aus dem Munde des Herrn ist wie maßgeschneidert an uns (Un)gläubige gerichtet. Manchmal zweifeln nämlich auch wir daran, dass Gott uns helfen kann. Wir wissen zwar, dass dieser Zweifel absurd und irrational ist, trotzdem erleben wir tatsächlich oftmals, dass Gott uns nicht immer das gewährt, was wir uns gerne wünschen würden. Gott spornt uns dadurch an, unser ganzes Potenzial auszuschöpfen (vgl. Mt. 25: 4). Irgendwie denken wir doch alle im Unterbewusstsein etwa so von uns: "Eigentlich sind wir im Großen und Ganzen gute Menschen. Wir glauben an Gott, gehen manchmal zur Kirche, führen einen moralischen Lebenswandel etc. Natürlich sind wir nicht perfekt, aber wer ist das schon außer Gott?!" - Doch heute sehen wir, dass solch ein lauwarmer, oberflächlicher und vor allem fruchtloser Glaube ungenügend für die Ansprüche des Herrn ist: "O du ungläubige Generation!" (Mk. 9: 19a) - tadelt Er Seine Jünger. Also müssten gerade die, welche meinen, der Glaube allein sei schon ausreichend zur Seligkeit, hier erkennen, dass ihre arg simplifizierte und aus dem Zusammenhang gerissene Deutung der Worte der Schrift (z.B. Röm. 5: 1; Gal. 3: 26) hier widerlegt wird. "Alles kann, wer glaubt" - das trifft offensichtlich nur auf den zu, der einen festen Glauben hat (s. Röm. 4: 20), - einen Glauben, der an seinen Früchten erkennbar ist (s. Gal. 5: 6). Fortschreiten im Glaubensleben ist demzufolge das, was wir vor allen Dingen anstreben sollen. Ein erster Schritt wäre das ehrliche Eingeständnis der eigenen kapitalen Unzulänglichkeit: "Hilf meinem Unglauben!" Und der nächste Schritt wäre der reale, nicht bloß formale Eintritt in die Streitmacht des Herrn hier auf Erden: "Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden" (Mk. 9: 29b). Beteiligen wir uns also! So wird das Bewusstsein geschärft, dass allein die Kirche Christi der Macht des Bösen in der Kraft des Herrn widerstehen kann (s. Mt. 16: 18). Wer sich jedoch diesem allumfassenden Kampf (s. Eph. 6: 12; vgl. Offb. 12: 17; 16: 14; 17: 14) eigenmächtig entzieht, ist ein Verräter an der Sache des Herrn. Dabei kennen wir alle die Schwachheit des Fleisches (s. Mt. 26: 41) und sind uns der Anziehungskraft der Sünde bewusst. Jeder kann wanken und gelegentlich auch fallen, - so war es selbst bei den Jüngern des Herrn. Wie es Metropolit Anthony (Bloom, +2003) ausdrückt, ist ein Christ beileibe nicht einer, der von Sieg zu Sieg eilt, sondern einer, der immer wieder fällt, aber stets von Neuem aufsteht. Wer jedoch diesen Kampf nicht kämpft und das noch zu rechtfertigen versucht (s. Ps. 140: 4), hat schon verloren. Zusammenfassend halten wir fest, dass die Notwendigkeit eines Wachsens im Glauben (vgl. Röm. 1: 17) unsererseits durch Gebet und Fasten im höchsten Maße gegeben ist. Und was liegt da näher, als sich an jemanden zu wenden, der sich damit auskennt?! Der hl. Johannes Klimakos (+649) verbrachte vierzig Jahre im St.-Katharinen-Kloster am Fuße des Berges Sinai und hinteließ uns eine Anleitung, wie wir durch kontinuierliches Bekämpfen unserer Leidenschaften den Aufstieg zu Gott erlangen können. Auch wenn das nicht ohne Schweiß und Tränen geschehen kann, steht doch jederzeit die Liebe zu unserem Herrn und zu unserem Nächsten im Vordergrund, sowie die Freude über die vergossenen Tränen, die zur Reinigung des Herzens führen. Wie sollte die Erlangung dieser Freude ohne leidvolle Erfahrung denn auch möglich sein?! "Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden Ihn töten; doch drei Tage nach Seinem Tod wird Er auferstehen" (Mk. 9: 31). Es ist alles in allem ein gleitender Übergang in Richtung Karwoche und Ostern, denn die Lesung des fünften Herrentags der Großen Fastenzeit beginnt erneut mit der Ankündigung der Leiden, des Todes und der Auferstehung (s. Mk. 10: 33-34), bevor der letzte Herrentag vor Ostern in Gänze das Gedenken an den Einzug des Herrn in Jerusalem und den Beginn des Leidenswegs des Herrn manifestiert. Somit werden wir herangeführt an die Passion Christi. Es ist die ernsthafteste und besinnlichste Zeit des Jahres, eine gesegnete Zeit für uns! Wahrlich angebracht sind hier die Worte vom "Gebet und Fasten", die doch im Mittelpunkt unserer Vorbereitung zu Passion und Auferstehung stehen. Das Voranschreiten in unserer Beziehung zu Gott durch ein intensives Gebetsleben zieht zwangsläufig den mühelosen Verzicht auf irdische Annehmlichkeiten und Vergnügungen nach sich. Das lehren uns der hl. Johannes Klimakos und die übrigen Väter, die in ihren Schriften die Erfahrung des Aufstiegs zu Gott darlegen. Und die Kirche ist die lebendige Bewahrerin dieses zeitlosen geistigen Erbes, das wir alle schon im diesem Leben antreten wollen. Amen.
Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch