Predigt zum Fest der Synaxe des hl. Erzengels Michael und aller himmlischen körperlosen Mächte (Hebr. 2: 2-10; Lk. 10: 16-21) (21.11.2016)

Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir das Fest zu Ehren aller himmlischen Kräfte begehen, sollte uns immer bewusst sein, dass wir selbst aus dieser in die andere Welt übersiedeln werden und dementsprechend uns schon jetzt die "Lebensweise" der Engel aneignen sollten, deren Zustand wir ja zu gegebener Zeit anzunehmen bestrebt sind. In der Kirche haben wir das ideale Übungsfeld dafür, denn sie ist das Abbild der himmlischen Ordnung mit hierarchischen Aufbau, Gehorsam und Disziplin. Ihre Zielsetzung ist das Heil ihrer Mitglieder, und das vollzieht sich durch die Gnade Gottes. Wie beim Hausbau jeder Ziegelstein eine funktionsrelevante Bedeutung hat, da ohne ihn vielleicht das ganze Gebäude einstürzen würde, so hat jeder von uns seine heilsrelevante Funktion im Plan des "Architekten". Jeder! - Nehmen Sie einen Ziegel aus der Kirchenwand - und es klafft eine hässliche Lücke! Dem himmlischen Reglement am nächsten kommt das Mönchsleben, welches nur bedingt nach irdischen Prinzipien strukturiert ist. Für die Bewohner von Klöstern und Einsiedeleien sind moderne säkulare Errungenschaften wie Humanismus und Individualismus verpönt. Wenn man dort zu einer Aufgabe berufen wird, dann nicht zur "Selbstverwirklichung", sondern allein Gott zur Ehre und nur aus Gehorsam. Man wird im Mönchsleben manchmal elementarste Höflichkeitsmerkmale wie die bei uns im weltlichen Alltag üblichen Worte "bitte" und "danke" vermissen. Pilgern zuliebe gibt es Klöstern freilich den Mönch oder die Nonne, der/die im Archondarikon (Herberge für die Pilger) bei der Begrüßung neuangekommener Gäste feste und flüssige Köstlichkeiten serviert und dabei nicht selten freundlich und kommunikativ ist - besonders zu Kindern und Jugendlichen. Da das Mönchsleben aber den Sinn des Daseins aus der ständigen noetischen Hinwendung zu Gott und nicht aus der schwatzhaften Geselligkeit schöpft, wird man sonst in Klöstern kaum auf im weltlichen Sinne "nette" oder "aufgeschlossene" Bewohner treffen. Als ich vor gut einem Jahr auf dem Athos mit meinem Begleiter nach dem Herabsteigen vom Gipfel, völlig entkräftet, keine andere Möglichkeit sah, als bei einem Eremiten im Skiten-Dorf Kerasia zu übernachten, öffnete uns Vater Parthenios nach laaangem Klopfen die Tür (s. Mt. 7: 7-8; Lk. 11: 9-10), machte uns zu essen und zu trinken, wies uns unseren Schlafplatz zu und lud uns zur Heiligen Kommunion am nächsten Morgen ein. Er erwies uns die erbetene und dringend benötigte Gastfreundschaft, ohne aber redselig oder neugierig zu sein. Für unser leibliches Wohl stellte er alles Notwendige bereit, ohne dabei jedoch allzu große Einschnitte in seinem gewohnten Tagesablauf zuzulassen. Mehr erwarteten wir auch nicht. Diese Sonntagsliturgie, die er mit zwei benachbarten Anachoreten im Morgengrauen zelebrierte, blieb bei uns in dankbarster Erinnerung. Man spürte hier mit jeder Faser des Herzens, dass die Fokussierung nicht irdischen Belangen gilt. Und wie wohl und geborgen man sich dabei fühlt, ist in Worte gar nicht zu fassen... Die Teilhabe an der unsichtbaren Welt ist also auf Erden greifbar. Nur dürfen wir nicht den Fehler begehen, irdische Vorstellungen auf die himmlische Sphäre anwenden zu wollen. Natürlich müssen wir insbesondere in der Beziehung zu Außenstehenden oder zu nicht im kirchlichen Leben verwurzelten Gläubigen eine adäquate Außenwirkung entfalten, damit sich die Menschen von unserer Abgehobenheit nicht vor den Kopf gestoßen fühlen. Gleichzeitig ist ein übertriebener missionarischer Eifer ebenso fehl am Platz, da er einen abstoßenden Effekt nach sich ziehen könnte. Gott achtet bei uns nicht auf weltläufige Trittsicherheit, sondern auf das Bestreben nach der Erlangung himmlischer Seligkeit. "Darum müssen wir umso aufmerksamer auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht vom Weg abkommen. Denn wenn schon das von Engeln verkündete Wort rechtskräftig war und jede Übertretung und jeder Ungehorsam die gerechte Vergeltung fand, wie sollen dann wir entrinnen, wenn wir uns um so ein erhabenes Heil nicht kümmern, das zuerst durch den Herrn verkündet und uns von den Ohrenzeugen bestätigt wurde? Auch Gott Selbst hat dies bezeugt durch Zeichen und Wunder, durch machtvolle Taten aller Art und Gaben des Heiligen Geistes, nach Seinem Willen" (Hebr. 2: 1-4). Wir alle werden vor dem Herrn darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie wir die uns bereitete Heilsverkündigung angenommen und in unserem Leben verwirklicht haben. Im Menschensohn, Der natürlich über aller Kreatur ist, Sich aber in Seiner freiwilligen Selbsterniedrigung zu unserer Rettung "für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt" hat (Hebr. 2: 7; vgl. Ps. 8: 6), sehen wir das Heil, welches im Alten Bund durch die Engel verkündet wurde und dessen Missachtung schon damals die gerechte Strafe für das Volk Israel nach sich zog. Um wieviel mehr müssen wir uns davor hüten, das vom Fleisch gewordenen Wort Gottes und von Dessen Gesandten verkündete Heil gering zu schätzen, welches zudem durch zahlreiche Wundertaten durch das Wirken des Heiligen Geistes bekräftigt wurde?! Doch wir leben in unserer Weltzugewandtheit an der geistlichen Realität vorbei und tauchen in eine vom Widersacher durch mediales Blendwerk künstlich hochgezogene Scheinwelt ein. Demnach muss sich der Vektor in unserem Glaubensleben ändern, "denn alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube" (1. Joh. 5: 4). Der beinhaltet, dass wir durch unsere Schutzengel ständige Bindeglieder zu unserem Vater im Himmel besitzen (s. Mt. 18: 10). Sie sind uns näher als wir es uns manchmal selbst sind. Noch ist aber Zeit, durch ein Leben in der Kirche die Welt der Engel auch zu unserer Welt zu machen. Amen.
Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch