Predigt zum Festtag der hl. Apostelgleichen Maria Magdalena (1. Kor. 9: 2-12; Lk. 8: 1-3) (04.08.2016)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

heute begeht unsere Kirchengemeinde zu Weimar und Jena das Gedächtnis ihrer Patronin. Aus der Lesung wissen wir, dass Maria aus Magdala (gemeint ist der Ort am Westufer des Sees Genezareth, nicht unsere Nachbargemeinde im Weimarer Land) zusammen mit den anderen Frauen „Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen“ (Lk. 8: 3) unterstützte. Außerdem wissen wir von ihr, dass sie noch vor den Aposteln den auferstandenen Herrn Jesus gesehen hatte. Daraus lassen sich für alle willigen Nacheiferer zwei Schlussfolgerungen ziehen. 

Erstens, auch wir können dem Herrn und der Kirche „mit dem, was wir besitzen“, dienen. Gemeint ist nicht nur der Obolus an seine Gemeinde (s. 2. Kor. 9: 6-7), sondern auch andere „Güter“, die wir besitzen. So wandte sich nach einem Gottesdienst in Kiew ein junger Mann an die Gemeinde: „Mein Name ist N.N., ich habe einen guten Job bei einer IT-Firma. Mir geht es gut, ich nehme am liturgischen Leben der Gemeinde teil, möchte Gott aber etwas von dem zurückgeben, was Er mir gegeben hat. Ich habe ein abgeschlossenes Mathematikstudium, für das ich jedoch heute keine Verwendung habe. Vielleicht gibt es aber in der Gemeinde Kinder, die Probleme mit Mathe in der Schule haben. Hier ist mein Telefonnummer. Ich biete an, einmal wöchentlich kostenlos Nachhilfestunden für eure Kinder zu geben“. Am nächsten Sonntag meldeten sich zwei Frauen, die Nachhilfe in Englisch, Französisch und Deutsch anboten. Eine Woche darauf sagte ein Mann: „Ich habe zwar kein Universitätsdiplom, besitze aber einen Kleinbus. Ich stehe sonntags um 9.00 Uhr am Parkplatz vor der Wohnsiedlung X. und biete älteren Gemeindegliedern an, sie unentgeltlich zur Kirche und wieder zurück zu fahren“. Danach meldete sich eine Frau und sagte: „Bald beginnt das neue Schuljahr. Bitte kommt zu mir an meinen Stand am Wochenmarkt und kauft die Füllhalter, Hefte, Geodreiecke und sonstiges Zubehör bei mir, eurer Schwester in Christo!“. So entstand eine regelrechte Tauschbörse, bei der sich die Gläubigen gegenseitig an Hilfsbereitschaft überboten (vgl. 2. Kor. 8: 2-5). Es versteht sich von selbst, dass diese Entwicklung zu einer ungeahnten Belebung der Gemeinde und zur Festigung des Zusammenhalts unter den Gläubigen geführt hat. Und ich bin überzeugt: jeder einzelne kann dem Herrn und seiner Gemeinde, seinen Mitbrüdern und Mitschwestern „mit dem dienen, was er besitzt“. Wir alle sollten doch das Bedürfnis verspüren, „Gott etwas zurückzugeben“, anstatt immer nur etwas von Ihm zu erwarten. Warum gründen wir nicht ein Online-Portal, in dem alle möglichen Waren und Dienstleistungen in einer Stadt, Region oder auch bundesweit von unseren gläubigen Brüdern und Schwestern angeboten werden (Handwerksbetriebe, Gastronomie, alle möglichen Läden, Anwälte, Ärzte etc.)? Zugangsvoraussetzung für einen Eintrag müsste die Bescheinigung eines Priesters darüber sein, dass derjenige tatsächlich auch am kirchlichen Leben teilnimmt und seine Gemeinde nach Kräften unterstützt. Vielleicht gibt es ja unter unseren reichlich vernetzten Gläubigen jemanden, der gerade durch so eine Initiative Christus und der Kirche mit dem dienen will, was er an technischen Fertigkeiten und Tatkraft besitzt?...

Ganz abgesehen vom Vorhandensein etwaiger natürlicher Fähigkeiten oder technischer bzw. finanzieller Kapazitäten sollten wir, zweitens, einen noch viel wichtigeren Aspekt der Nachahmung unserer Gemeindepatronin beherzigen: auch wir können bzw. sollten Zeugen der Auferstehung Christi sein. Wer regelmäßig am Gottesdienst teilnimmt, singt jede Woche mit: „Die Auferstehung Christi haben wir geschaut...“  - und bezeugt mit seinem Leben, dass Christus wahrhaftig auferstanden ist. Wahrhaftig auferstanden!!! Diese Wahrhaftigkeit kann aber für Außenstehende und Suchende nur glaubhaft sein, wenn sie jede Woche gelebt wird, und nicht ein Mal im Jahr bei der Segnung der Ostereier zur Schau gestellt wird. Alle sonstigen Feste der Kirche sind irgendwann im Laufe der Kirchengeschichte entstanden, doch das „Fest der Feste“ ist so alt wir die Kirche selbst. Wir sind eine „österliche“ Kirche, weil wir die Auferstehung Christi 52 mal im Jahr feiern, also sollten wir die Freude der Auferstehung das ganze Jahr hindurch in uns tragen, auch und vor allem dann, wenn es uns gemäß äußerer Umstände nicht so gut geht. Und dazu bedarf es keiner hervorstechenden Fähigkeiten. Die hatte auch Maria Magdalena nicht, doch wurde sie zu einer der bedeutendsten Gehilfinnen der Aposteln und verkündete sogar dem Kaiser in Rom die Auferstehung Christi. 

 

Wenn wir das oben Gesagte wirklich verinnerlichen, dann werden wir hienieden in jeder Liturgie tatsächlich „im Mysterium die Cherubim abbilden“ und zusammen mit den himmlischen Mächten „der Leben schaffenden Dreiheit den dreimal-heiligen Hymnus singen“. Dann wird unsere von ganzer Herzkraft kommende Gebetsanstrengung real zur Göttlichen Liturgie – und wir alle zu einem Leib Christi! Wen diese Aussicht in Verbindung mit der Vergebung der Sünden und der Einswerdung mit Christus in Seinem Leib und Seinem Blut nicht in die Kirche lockt, der muss sich selbst fragen, ob er ernsthaft von sich denkt, den festen Glauben zu haben, zumal ja nicht einmal die Jünger des Herrn diesen bei sich sahen (s. Lk. 17: 5-6). Es reicht nicht bloß zu glauben; wir müssen für unseren Herrn kämpfen. „Denn euch wurde die Gnade zuteil, für Christus da zu sein, also nicht nur an Ihn zu glauben, sondern auch Seinetwegen zu leiden“ (Phil. 1: 30). Und: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das Leben, zu dem du berufen worden bist“ (1. Tim. 6: 12). Dann werden wir am Ende unseres Lebens sagen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten“ (2. Tim. 4: 7). Amen. 

Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch