Predigt zum Hochfest der Himmelfahrt des Herrn (Apg. 1: 1-12; Lk. 24: 36-53) (09.06.2016)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

die heilige Kirche besingt die Himmelfahrt des Herrn mit diesen Worten: 

 

„Du hast Dich erhoben in Herrlichkeit, Christus, unser Gott, und den Jüngern durch die Ankündigung des Heiligen Geistes Freude bereitet, indem sie durch Deinen Segen erfuhren, dass Du der Sohn Gottes bist, der Erlöser der Welt!“ (Troparion zum Fest).

 

Das irdische Heilswerk des Erlösers ist vollbracht. Schon seit der Auferstehung von den Toten gehört Er, Der von Seiner göttlichen Natur her vor Anbeginn der Welt in der Herrlichkeit des Vaters war (s. Joh. 17: 5), nun auch gemäß Seiner menschlichen Natur nicht mehr zu dieser Welt (s. Lk. 24: 44). In Seiner Hypostase ist jetzt auch die menschliche Natur vergöttlicht. Daher begibt sich die Menschheit in Person des Menschensohns nun dahin, wo ihre ursprüngliche Bestimmung ist (s. Joh. 20: 17). Doch obgleich der Himmel zur Heimstatt der menschlichen Natur geworden ist, ist die Erde, auf der wir noch weilen, nach der Auffahrt Christi in die Himmel nicht verwaist. Davon kündet der folgende Festtags-Hymnus:

 

„Nachdem Du die Heilsordnung für uns erfüllt und das Irdische mit dem Himmlischen geeint hast, bist Du aufgefahren in Herrlichkeit, Christus, unser Gott, indem Du keineswegs von uns gegangen, sondern ungetrennt geblieben bist, und denen, die Dich lieben, zurufst: Ich bin mit euch und niemand kann gegen euch sein!“ (Kondakion zum Fest).

 

Dementsprechend ist unsere Heimat im Himmel (s. Joh. 14: 2). Aber die Voraussetzung zur Wiedererlangung der verlorenen Heimat liegt hier auf Erden (s. Joh. 14: 23). Wir begehren doch alle, das „unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe“ zu empfangen, das im Himmel für uns aufbewahrt ist (1. Petr. 1: 4). Doch dann muss unser irdisches Leben auch entsprechend darauf ausgerichtet sein. Die Gebote des Herrn sind eindeutig: „Liebt nicht die Welt und was in der Welt ist! Wer die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater nicht“ (1. Joh. 2: 15). 

Viel zu oft wird das „Evangelium vom Reich“ (Mt. 4: 23; 9: 35; 24: 14) jedoch willkürlich uminterpretiert, und zwar so, als diene es als Anleitung für eine gerechtere Weltordnung. Das kann im imaginären Extremfall sogar soweit gehen, dass Christen dem Gebot der Nächstenliebe zufolge in die Pflicht genommen werden, den Boden für ihre eigene Ausrottung zu bereiten. Das aber kann nicht dem Geist des Evangeliums entsprechen. Christus hat Sein Königtum zwar in dieser Welt eingesetzt, ohne dabei aber die bestehenden sozialen und politischen Verhältnisse umzuwälzen oder sonst an irgendeiner kulturellen Grundordnung zu rütteln. Sein Reich ist nicht von dieser Welt, wenngleich es (auch) in dieser Welt existiert. Es zielt darauf ab, die Menschen zu verändern, nicht die äußeren Umstände. Entsprechend verhielt sich die Kirche im Laufe von zwei Jahrtausenden (s. Mt. 22: 21;  Mk. 21: 17), überließ politische und soziale Reformen der weltlichen Macht, und trug trotzdem zu einer besseren Welt bei. 

Der Daseinszweck des Zeitlichen besteht also in der Möglichkeit zur Erlangung des Zeitlosen. Das dürfen wir Christen niemals vergessen! Ohne diese Prämisse verkommt das ganze Evangelium zu einem geistlosen Verhaltenskodex, was letztlich nur Wind in die Segel der Feinde Christi ist (s. 1. Joh. 2: 18-19). Im Buch der Psalmen steht geschrieben: „Fallen werden zu deiner Seite tausend und zehntausend zu deiner Rechten, dir aber wird sich´s nicht nahen“ (Ps. 90: 7). Die Widersacher „zur Linken“ sind ganz ohne Zweifel die, welche die Wahrheit offen bekämpfen: sichtbare und unsichtbare Feinde, die an unsere niederen Instinkte (Habgier, Lüsternheit, Egoismus etc.) appellieren und uns offen zur Sünde verleiten. Wer aber sind dann die Widersacher „zur Rechten“, wenn nicht die, welche scheinbar das Gute verkörpern und sich permanent bemühen, von den guten Eigenschaften des Menschen (Mitleid, Fürsorglichkeit, Gerechtigkeitssinn etc.) Besitz zu ergreifen, um ihn dadurch ins Verderben zu stürzen?! Vor diesen warnt uns der Herr auf noch viel eindringlichere Weise, als vor den Feinden der ersten Kategorie (s. Mt. 7: 15; 24: 11, 24;  Mk. 13: 22;  Lk. 6: 26;  Apg. 20: 29-30;  2. Petr. 2: 1, 1. Joh. 4: 1). Wie sonst wollen die Feinde unserer Errettung, „wenn möglich, die Auserwählten irreführen“ (Mk. 13: 22)?!.. Die angeführte Stelle des Psalms gibt uns zu verstehen, dass es von der „rechten“ Sorte zehnmal (!) mehr gibt, als von der „linken“. Wenn wir zudem daran denken, welch ein gewaltiger medialer Manipulationsapparat diesen Kräften zur Verfügung steht und sich dabei aller erdenklicher psychologischer, pädagogischer und technischer Mittel zum Lenken der Massen bedient, dann ist offensichtlich für jeden Christen, dass er nur in der Kirche Christi Zuflucht vor dem Verderben finden kann. Sein Herz und sein Verstand müssen folglich dem geistlichen Leben zugewandt sein, „denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, Der euch zu Söhnen macht, den Geist, in Dem wir rufen: ´Abba, Vater!`“ (Röm. 8: 14-15). 

 

Mit diesen Gedanken wollen wir heute die große Freude (s. Lk. 24: 52) der Jünger nachempfinden, welche sie nach der Auffahrt ihres Herrn und Meisters durch die Ankündigung der verheißenen Gabe vom Vater (s. 24: 49) empfanden, und wollen uns so von heute an sehnlichst auf das Fest der Niedersendung des Heiligen Geistes vorbereiten. Denn an uns alle ergingen ja die Worte des Herrn: „Ich bin mit euch und niemand kann gegen euch sein!“ Amen.

Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch