Predigt zum Herrentag zum Gedächtnis an die Vertreibung aus dem Paradies / Vergebungssonntag (Röm. 13:11 – 14: 4; Mt. 6: 14-21) (13.03.2016)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

mit der heutigen Vesper beginnt die Große Fastenzeit. Die hinter uns liegenden Wochen haben uns darauf eingestimmt, dass wir diese heilbringende Zeit in der Besinnung auf unsere eigenen Sünden verbringen und durch gegenseitige Vergebung in ungeheuchelter Liebe zu den Mitmenschen wachsen. Das sind die Voraussetzungen, unter denen wir alle wieder zu Teilhabern der paradiesischen Wonne – der ungetrübten Gemeinschaft mit Gott – werden wollen.

Das wirkliche Fasten – der Kampf gegen sündhafte Leidenschaften - ist  der Schlüssel zum Paradies. Unser Urvater Adam wurde durch das Übertreten des Fastengebots in „diese Welt“ verbannt, damit er sich durch Anstrengungen und Entbehrungen dem Paradies stückweise wieder nähere. Danach sollte der Mensch wieder zum Ackerboden, aus dem er genommen worden war, zurückkehren (s. Gen. 3: 16-20). Und unsere Aufgabe besteht nun darin, nicht in „dieser Welt“ heimisch bzw. sesshaft zu werden, sondern das Paradies wiederzuerlangen (s. Hebr. 13: 14). So gesehen ist der Tod, der ja als Strafe für den Sündenfall Einzug in die Welt hielt, in Wahrheit ein Gnadengeschenk Gottes für die gesamte Schöpfung (s. Röm. 8: 21). Für den Gläubigen ist der Tod letztlich das Tor zum Paradies; für ihn ist „Sterben Gewinn“ (Phil.1: 21).

Worauf aber müssen wir achten, damit uns das Tor nicht verschlossen bleibt (s. Mt. 25: 10)? - Die Heilige Schrift ist eindeutig darin, dass das Heil nicht in den Gütern „dieser Welt“ liegt (s. Mt. 6: 19), denn „die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen“ (1. Joh. 5: 19; vgl.  Mt. 4: 8-9  u.  Lk. 4: 5-7).  Doch das Böse maskiert sich als das Gute, um die nach Erlösung Strebenden zu verführen. Das Schlachtfeld hierbei ist nach den Worten Dostojewskijs das Herz des Menschen. Der Verführer versucht mit allen Mitteln, den Menschen an „diese Welt“ zu binden. Politische Ideologien, humanistische Wertesysteme, Aufklärung etc. zielen darauf ab, dem Menschen eine „Alternative“ zum Reich Gottes zu offerieren. Auch wenn der Mensch dann immer noch meint, an Gott zu glauben, hat er sich in seinem Herzen – wie weiland Adam und Eva im Garten Eden - doch längst von Ihm entfernt! Denken wir doch mal gemeinsam darüber nach, wohin sich „diese Welt“ entwickelt: der Tag ist nicht mehr fern, an dem es kein Bargeld und auch keine Chipkarten mehr geben wird, so dass die totale Kontrolle des Menschen zur Realität wird. Wie die exponentiell zunehmende Affinität zu elektronischen Fußfesseln aller Art  (GPS, Iphone etc.) zeigt, ergibt sich die von Gott abgewandte Menschheit widerstandslos in ihr Schicksal. Der „gläserne Bürger“ der Generation Facebook wird sich mit Big Brother XXXL vorbehaltlos arrangieren. Verbrechen werden praktisch ausgeschlossen sein – welch ein Paradies! Keine Angst mehr vor Terror und Kriminalität; Kreditkarte, Krankenversicherung, Abo-Fahrkarte etc. alles inklusive und 100% sicher – durch einen Chip unter der Haut! Daraufhin werden sich die Menschen unsagbar dankbar demjenigen erweisen, der ihnen das alles an Gottes Statt geben wird (s. Joh. 5: 43). Der Glaube an Gottes Vorsehung wird somit „überflüssig“ (!)...

Sicher, vieles wird durch solch „moderne“ Kontrollmechanismen wegfallen: Stacheldrahtzäune, Alarmanlagen und Videoüberwachung, gepanzerte Autos wie sie in anderen Teilen der Welt heute schon Alltag sind. Aber werden die Menschen selbst besser? Werden sie dann nicht vielmehr bestrebt sein, ihre niederen Instinkte anderweitig, dafür aber auf ganz „legale“ Weise zu befriedigen? Hass, Neid, Habsucht etc. stellen sowieso keinen juristischen Tatbestand dar, während Unzucht, Ehebruch und inzwischen längst legalisierte unnatürliche Neigungen (s. Röm. 1: 26-31) in keinem Strafgesetzbuch mehr stehen. Was geschieht aber dann mit den Herzen der Menschen? Ist in dieser „Schönen neuen Welt“ überhaupt noch Platz für Liebe?! Wird so ein „Idyll“ im Namen der Freiheit nicht viel eher ein globales Gefängnis sein, dessen Insassen eingebläut wird, sie seien alle frei und ungezwungen?! - Wir hatten schon einmal ein „Gefängnis der Völker“, das auf dem Territorium eines vormals orthodoxen Landes entstanden war, in dem Gottes Name quasi über Nacht ausgelöscht werden sollte. Dieses auf trügerischen Versprechungen von Glück und Zufriedenheit basierende Paradies ohne Gott war nur das Präludium zu dem, was noch kommt. War diese Warnung angesichts Abermillionen von Toten denn nicht genug?!.. „Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen“ (1. Thess. 5: 3).

Wo aber finde ich dann das wahre Paradies? - Richtig, in mir selbst kann ich es suchen (s. Lk. 17: 21)! Gott will keine „gesetzestreuen“ Sklaven, denn Er beruft uns als geliebte Kinder zur Freiheit von der Sünde (s. Hebr. 12: 1). Gewiss, die Last der Freiheit (und der Verantwortung) ist immer schwerer als das Joch der Sklaverei, aber nur sie führt zur Seligkeit (s. Jak. 1: 25). Statt auf die Erlösung durch sozialen und technologischen Fortschritt zu vertrauen, sollten wir das leichte Joch Christi, welches unseren Seelen Ruhe verschafft, auf uns nehmen (s. Mt. 11: 29). Erkennen wir, dass nur die Kirche Christi uns vor den „Mächten der Unterwelt“ bewahren kann (s. Mt. 16: 18)? Sie ist das Paradies auf Erden! 

 

Diese Freiheit muss jedoch erkämpft werden. Opferbereitschaft, Gehorsam und Enthaltsamkeit sind die Werkzeuge, die dazu benötigt werden. Ohne sie ist nun mal kein Zusammenleben in Liebe, Treue und Vertrauen möglich. Die Fastenzeit ist daher die beste Gelegenheit, sich mit Leib und Seele in der Zugehörigkeit zu Gottes auserwählten Herde zu üben – jener „kleinen Herde“, welcher der Vater das Reich zu geben beschlossen hat (s. Lk. 12: 32). Amen. 

Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch