Predigt zum Herrentag nach Christi Geburt / Gedächtnis der leiblichen Verwandten des Herrn König Davids, Josefs des Bräutigams und Jakobus des Herrenbruders (Gal. 1: 11-19; Mt. 2: 13-23)

Liebe Brüder und Schwestern, es ist in der kirchlichen liturgischen Tradition üblich, dass die großen Feste mit einer Vor- und einer Nachfeier versehen sind. Die Vorfeier dient im Falle der Geburt oder auch der Taufe Christi der liturgischen und kontemplativen Einstimmung auf das Fest, die Nachfeier eines Festes ist vor allem den Personen gewidmet, die sich um die Verwirklichung des göttlichen Heilsplans verdient gemacht haben. Wiewohl Gott allmächtig ist und der Hilfe des Menschen nicht bedarf, ließ Er den Menschen doch in Seinem Wohlgefallen am göttlichen Erlösungswerk teilhaben. Die Menschwerdung Christi kam durch den Heiligen Geist zustande, jedoch unter Mitwirkung der allerreinsten Jungfrau Maria; die Taufe Christi erfolgte ebenfalls durch den Heiligen Geist, aber nicht ohne die Beihilfe Johannes des Täufers. Deshalb wird am Tag nach der Geburt Christi die Synaxis der Gottesgebärerin gefeiert, und am Tag nach der Taufe des Herrn die des Täufers Johannes. Der Sonntag nach der Geburt Christi ist dagegen König David, Josef dem Bräutigam und Jakobus dem Herrenbruder (s. Gal. 1: 19) gewidmet, die direkt oder indirekt mit der Flucht nach Ägypten zu tun haben. Ebenso ist es heute mit der Mitwirkung des Menschen, wenn z.B. ein neues Mitglied der Kirche getauft und myrongesalbt wird: es wirkt der Heilige Geist, aber trotzdem ist hierfür der menschliche Faktor (in diesem Fall ein Priester, gegebenenfalls auch Taufpaten) unerlässlich. Gott wirkt unsichtbar unter sichtbarer Beteiligung des Menschen. Sinnbildlich für dieses menschliche Wirken bei der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans sind die erwähnten drei Verwandten des Herrn. Der allmächtige Gott begibt sich als schutzloses Kindlein in die Obhut eines Greises und eines Halbwüchsigen aus dem ehemaligen königlichen Geschlecht (vgl. Mt. 1: 20) – so wie Gott das Schicksal Seiner ganzen Welt und jedes einzelnen Menschen zu einem gewissen Grade in die Hände von Menschen legt. Wenn also Gott Sich nicht davor scheut, der Gewalt sterblicher Menschen ausgeliefert zu sein, warum sollten wir uns dann davor fürchten, unser Schicksal in Gottes Hand zu legen?! Wir haben das untrügliche Zeugnis der Heiligen Schrift, wonach Gott sowohl kirchliche (s. 1. Kor. 12: 28) als auch weltliche Macht (s. Rom. 13: 1) in die Hände von fehlbaren Menschen gegeben hat. Und Gott lässt dem Menschen freie Hand dabei. Er will den Menschen nicht mit Gewalt zum Guten und Richtigen bekehren. Ehedem wurde Gottes Sohn als Säugling von der Staatsmacht verfolgt und musste Sich auch bei der Verwirklichung Seines Erlösungswerks vor korrumpierter geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit verantworten. „So werden alle, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ein frommes Leben führen wollen, verfolgt werden“ (2. Tim. 3: 12). Hätte Er aber die Altlasten dieser Verantwortlichkeit nicht Sich und uns ersparen können?!... Natürlich hätte Er das gekonnt. Er hätte uns alle vor den Fallstricken des Bösen bewahren und kraft Seiner göttlichen Gnade vor dem Sündenfall und dessen fürchterlichen Nachwirkungen befreien können. Er hätte das Böse kurzerhand im Keime ersticken lassen können. Aber dann wären wir nicht frei, sondern willenlose Sklaven des aufgezwungenen Guten. Natürlich träumen wir alle von einer Harmonie, in der sich um uns herum nur engelsgleiche Wesen befinden. Aber gerade die schwierigen Menschen helfen uns durch diverse Prüfungen dabei, eine höhere Stufe der Gottseligkeit zu erreichen. Gott ist es, Der durch diese Menschen wirkt und durch sie unser Seelenheil bereitet. Von uns wird nur erwartet, dass wir in allen erdenklichen Lebenslagen Seinen Willen annehmen und dadurch Seine Gebote zu unserem Heil befolgen. Wer weiß, vielleicht werden auch wir dereinst, ohne es zu wissen, Engeln unsere Dienste erweisen (vgl. Hebr. 13: 2)? Wenn diese Welt also im Argen liegt, dann nur, weil wir sie zu dem gemacht haben, was sie ist. Auch ich ganz persönlich. Doch habe ich wiederum die Möglichkeit, diese Welt ein Stück weit besser zu machen, wenn ich zunächst mich selbst ändere und meiner unmittelbaren Umgebung Gutes tue. Die Welt wird sich aber nicht verbessern, wenn alle nur auf ihren Rechten bestehen, ihre Pflichten hingegen vernachlässigen. Jeder soll seinen Teil der Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen erfüllen. Die heute vorgelesen Episode der nächtlichen Flucht nach Ägypten lehrt uns, dass wir uns nicht vor Gefahren zu fürchten brauchen (s. Mt. 24: 6; Mk. 13: 7; Lk. 21: 9). Der Herr Selbst hat Sich diesen unterzogen (vgl. Mt. 8: 23-27; Mk. 4: 35-41; Lk. 8:22-25) und Seine Jünger „wie Schafe mitten unter die Wölfe“ gesendet (Mt. 10: 16). Er Selbst ist aber „der gute Hirte“ (Joh. 10: 11, 14), Welcher Sein Leben hingibt für die Schafe! Ihm dürfen wir vertrauen, mit Ihm brauchen wir uns vor nichts zu fürchten. Wenn Er es will und wir uns als würdig erweisen, werden auch wir mit eben jener Kraft und Weisheit ausgestattet, die uns ein freimütiges Zeugnis von der Wahrheit ermöglichen wird (s. Mt. 24: 13-14; Mk. 13: 9-11; Lk. 21: 13-15). Also können wir trotz unserer Schwachheit noch etwas tun: standhaft sein und den Glauben an unseren Herrn durch Wort und Tat bekennen. Wenn wir uns aber stattdessen um unseren persönlichen Komfort und um die Besitzstandswahrung kümmern, werden wir kein Zeugnis von der Wahrheit Christi ablegen können und darüber hinaus unser Leben verlieren (s. Mt. 10: 39; 16: 25; Mk. 8: 35; Lk. 9: 24). Unsere einzige Sorge muss sein, immerdar auf der Seite Christi zu stehen. „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ (Röm. 8: 31). Amen.
Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch