Predigt zum Geburtsfest des hl. Johannes des Täufers (Röm. 13: 11 – 14: 4; Lk. 1: 1-25; 57-68; 76, 80) (07.07.2015)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

um zu zeigen, welch exponierte Stellung der Prophet, Vorläufer und Täufer des Herrn Johannes unter den Heiligen hat, widmet ihm die Heilige Kirche gleich mehrere Feste im Jahr. Wie bei allen anderen Heiligen ist es der Tag seines Heimgangs (in seinem Fall der Enthauptung), dazu noch die erste, zweite und dritte Auffindung seines kostbaren Hauptes und die Synaxe des Täufers am Tag nach der Theophanie. Doch bei keinem Heiligen wird sonst, wie bei unserem Herrn Selbst und Seiner Allreinen Mutter, auch die Empfängnis und die Geburt gefeiert. Heute ist das Fest der Geburt des Täufers, deren Begleitumstände ausführlich vom Evangelisten Lukas überliefert worden sind. Sie ähneln äußerlich der Geburt der Mutter des Herrn, da auch hier die Eltern gottesfürchtig und bei der Geburt ihres Erstlings bereits hochbetagt waren.

Wir kennen die Problematik aus dem Alten Testament: Abraham war hundert und Sarah war neunzig Jahre alt (s. Gen. 21), als ihr Stammhalter Isaak geboren wurde. Auch die Frau Manoes war lange Zeit unfruchtbar, bis sie Samson geboren hatte (s. Ri. 13), ebenso wie Hannah, die Frau Elkanas und Mutter Samuels (s. 1. Kön. 1). An ihnen sollte die Allmacht Gottes (s. Gen. 18: 14) offenbart werden. All diese Heiligen litten an der Kinderlosigkeit, auf ihnen lastete größter innerer und äußerer Druck. In der patriarchalen Epoche war Unfruchtbarkeit gleichbedeutend mit der Auslöschung des eigenen Namens vor Gott und der Geschichte, während in der Zeit des Gesetzes das Fehlen eines Nachkommens unweigerlich bedeuten musste, dass die Betreffenden keine Teilhabe am zukünftigen Königreich des Messias haben konnten. Der Glaube an die Auferstehung war ja nur höchst abstrakt vorhanden, folglich „lebte“ jeder in seinen Nachkommen weiter. Deshalb auch die Einsetzung der sog. Schwagerehe im Gesetz, durch die der Bruder eines kinderlos Verstorbenen den Samen seines Bruders mit dessen Frau herstellen sollte (s. Gen. 38: 8;  Dtn. 25: 5-10). So galt der erste Sohn aus dieser Verbindung dem Gesetze nach als Sohn des Verstorbenen, damit dessen Name in Israel nicht erlöschte (vgl. Mt. 22: 24). Die Auferstehung von den Toten und das Himmelreich, die Christus später verkündet haben wird, waren für die Menschen des Alten Bundes ja noch jenseits ihres Vorstellungs- und Wahrnehmungsvermögens. Das wird schon allein dadurch deutlich, dass selbst die Jünger des Herrn bis zuletzt, also bis zur Entsendung des Heiligen Geistes, keine wirkliche Ahnung vom Reich des Messias hatten (s. Apg. 1: 6). Diese hatten nur die Mutter des Herrn (s. Lk. 1: 46-55; 2: 19, 51) und Johannes (s. Mt. 3: 1-15;  Mk. 1: 1-8;  Lk. 3: 1-18, 76-79;  Joh. 1: 6-8, 15, 19-34), der zugleich letzter Prophet des Alten und erster Apostel des Neuen Bundes war. Kurzum, alle hatten ein eigenes vitales und existenzielles Interesse, Kinder zu haben. Die aufgezählten Beispiele und die angedeuteten Normen des Gesetzes verdeutlichen, dass Kinder zunächst einmal wirklich ein Segen sind. Vernachlässigen die Eltern aber ihre Fürsorgepflicht, können Kinder auch zum Fluch werden. Wie oft erleben wir in unserer an Kindern verarmten Gesellschaft, dass sich Eltern gar nicht um ihren Nachwuchs kümmern (mit wem verkehren sie, was machen sie, welche Seiten klicken sie an? etc. - all das ist ihnen völlig egal), bis sie die Quittung für die versagte Zuwendung von ihren halbwüchsigen Sprösslingen in barer Münze erhalten! Und wie oft wird der Kinderreichtum mutwillig durch Tötung ungeborener Kinder vergeudet! Doch wenn jemand dann im Alter vereinsamt dahinvegetiert, kennen Selbstmitleid und sozialstaatliches Anspruchsdenken keine Grenzen. Die Frage sei gestattet: kann so eine Gesellschaft auf Dauer überleben?!..

Die, welche in unserer Wohlstandsgesellschaft ungewollt kinderlos geblieben sind, sehnen sich nach einem Adoptivkind. Aber manchmal stellt sich ungewollt die Frage, ob es den Eltern hierbei um Geben oder um Nehmen geht. Das, was der Gesetzgeber einmal Sorgerecht nannte, verkommt dank des heute individualistisch geprägten Weltbilds zur Befriedigung egoistischer Bedürfnisse. Es fängt oft romantisch an mit der Adoption eines Kindes aus einem Notstandsgebiet. Doch als sich später herausstellt, dass das womöglich noch im Mutterleib traumatisierte Kind sich nicht nach Vorstellung der Eltern dressieren lässt, wird es z.B. in den USA im Internet an einschlägigen „Tauschbörsen“ feilgeboten. So stellt sich der Kinderwunsch als kapriziöse Laune heraus, fast wie bei unliebsam gewordenen Haustieren, die schnurstracks im Tierheim landen.  

Doch Heilige denken in völlig anderen Kategorien. Für sie geht es niemals um die Bedienung eigener Wünsche und Bedürfnisse, sondern um ihre Dienstbarkeit ihrem Herrn gegenüber. Noch klarer: all diese aufgezählten Heiligen wollten Kinder nicht für sich, sondern für Gott. Und das ist der Aspekt, der in den Fokus unserer heutigen Betrachtung rücken soll. Sie alle zeigten, dass Kinderzeugung und -erziehung die in Wahrheit größte Aufgabe ist, die es auf dieser Erde gibt. Es geht schließlich darum, Bürger für das Reich Gottes zu erziehen. Es ist folglich eine Verantwortung vor dem Kind, der Gesellschaft und vor Gott. In diesem Sinn gibt es nichts größeres auf Erden, als Mutter zu sein, denn die Frau wird dadurch gerettet, „dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie in Glaube, Liebe und Heiligkeit ein besonnenes Leben führt“ (1. Tim 2: 15). Und was gibt es Schöneres, als Kinder, die ihren Eltern in den Augen Gottes und vor dem Angesicht der Menschen auf ewig zur Ehre gereichen?!.. 

Wir leben nicht mehr unter dem Gesetz. Unsere gottgewollte Freiheit ermöglicht  es uns, aus unseren Kindern Engel zu machen, oder Dämonen. Wir haben die Wahl. Amen.

Jahr:
2015
Orignalsprache:
Deutsch