Predigt zum 7. Herrentag nach Ostern / Gedächtnis der Väter des 1. Ökumenischen Konzils (Apg. 20: 16-18, 28-36; Joh. 17: 1-13) (24.05.2015)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

letzte Woche endete die 40-tägige Osterzeit, in der wir des Beiseins des auferstandenen Herrn inmitten Seiner Jünger gedachten. Insgesamt sind elf Erscheinungen des Herrn überliefert, weshalb wir jeden Sonntag im Orthros die Auferstehungsevangelien gemäß einem 11-wöchigen Zyklus lesen. Die Himmelfahrt des Herrn stellt nun eine Zäsur dar. Der Erlöser weilt nicht mehr unter uns, und der Tröster ist noch nicht gekommen. Folglich wird in diesen zehn Tagen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten zum Gebetsanfang weder das „Christus ist auferstanden“, noch das „Himmlischer König“ gelesen. Deswegen wollen wir uns nun in diese Situation zwischen dem Ende des Erlösungswerkes Christi und dem Beginn der apostolischen Mission hineinversetzen. Wir können die Situation der Apostel, gewissermaßen, mit der eines gerade erst getauften, aber noch nicht myrongesalbten Neophyten vergleichen. Christus „riss durch Sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder“ (Eph. 2: 14), so dass wir uns im Zustand der makellosen Unreife der Ureltern Adam und Eva vor dem Sündenfall befinden. Das Abbild Gottes (s. Gen. 1: 26, 28) ist in seiner Unversehrtheit wiederhergestellt, was nichts anderes bedeutet, dass dem Menschen nun auch die ursprüngliche Fähigkeit zur Erlangung der Ähnlichkeit Gottes (s. Gen. 1: 26) zurückgegeben worden ist. Diese Erlangung der Ähnlichkeit Gottes, welche die heiligen Väter Theosis (Vergöttlichung) nennen, ist Ziel und Berufung des Christen. - Das soll hier und heute mit aller Deutlichkeit gesagt werden! - Alles andere – karitative, soziale, politische und sonstige Werke und Betätigungen sind ohne jeden Zweifel wichtig, richtig und notwendig, denn es ist nach dem Worte des Apostels ebenso unstrittig, „dass der Mensch aufgrund seiner Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein“ (Jak. 2: 24), aber ohne diese klare Prioritätensetzung entfernt sich der Mensch von Gottes Heilsplan und ist bar der göttlichen Gnade (vgl. Mt. 25: 1-13;  Mt. 22: 1-1 u. Lk. 14: 15-24). Das ist so, als ob man durch einen Propeller oder ein Gebläse vom Heck seines Schiffes in die Segel bläst, um den Ozean zu überqueren, doch wer sich ein bisschen in Physik auskennt, weiß, dass das genauso unmöglich ist, wie sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Da kann die Anstrengung noch so groß sein... Und doch, die Hände in den Schoß legen und nur auf die Gnade Gottes zu hoffen, wäre gleichermaßen fatal. 

Das Ereignis, dessen wir in einer Woche liturgisch gedenken, kündigt sich in der Schrift an: „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs, Er zeige uns Seine Wege, auf Seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem Sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker, Er weist viele Nationen zurecht“ (Jes. 2:  2-4).

Wenn wir uns nun gedanklich auf das große Fest der Entsendung des Heiligen Geistes und der Gründung der Kirche vorbereiten, sollten wir bedenken, dass der Herr Sein Erlösungswerk den Aposteln und ihren Nachfolgern übertragen hat (s. Joh. 20: 21-23 u. Apg. 20: 28), aber die Kirche sind wir alle. 

Mit wachsender Freude beobachte ich, dass unsere Gemeinde nicht mehr nur noch ein Ort des Gebetes ist – obwohl das, selbstverständlich, die wichtigste „Funktion“ einer Kirchengemeinde ist – sondern auch zu einem Ort des Austauschs und des Miteinanders geworden ist. Der vermeintliche Nachteil – die Überschaubarkeit unserer Mitgliederzahl im Vergleich zu vielen anderen Gemeinden – ist zu unserer Stärke geworden. Diesen strukturellen Vorteil noch weiter zu nutzen – das ist die Aufgabe unserer Gemeinde, und zwar jedes einzelnen Mitgliedes. In der liturgischen Fachsprache gibt es den Begriff „Liturgie nach der Liturgie“. Mit dem Ausruf am Ende unserer Liturgie „Lasset uns in Frieden hinausgehen“ beginnt das, was über den tatsächlichen Wert unserer vorangegangen geistlichen Bemühungen Auskunft gibt - ob wir nämlich die uns reichlich ausgeteilte Gnade im Alltag nicht nur bewahren, sondern sogar gewinnbringend für uns und andere vermehren können. Ist damit nicht die Gnade des Heiligen Geistes gemeint (s. Joh. 4: 14 u. 7: 38), die wir alle nicht bloß abstrakt und theoretisch, sondern vollkommen real und wirksam erhalten haben?! Jeder von uns hat doch seine persönlichen Fähigkeiten, sein individuelles Charisma, das er in das Leben der Gemeinde einbringen kann (s. 1. Kor. 12: 1-11, 28-31). Und wenn das geschieht, bewahrheitet sich das Wort des Apostels: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern“ (1. Kor. 12: 12-14).

Die Himmelfahrt Christi ist die Krönung des Erlösungswerkes unseres Herrn; das nahende Pfingstfest steht für die Zusammenführung und die Gemeinschaft aller, die an dieser Erlösung teilhaben. Der Leib Christi setzt sich demnach nicht nur aus lebenswichtigen Gliedern und Organen wie Kopf, Herz oder Lunge zusammen, denn auch ohne ein Ohr, einen Finger oder eine Zehe wäre dieser Leib unvollständig (s. Eph. 1: 22-23;  Kol. 1: 18-20;  2: 9-10). Gott hat alles vortrefflich zusammengefügt, so dass auch hier gilt: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt. 19: 6;  Mk. 10: 9). Amen.

Jahr:
2015
Orignalsprache:
Deutsch