Predigt zur Internationalen Gebetswoche der Evangelischen Allianz in Weimar – Thema: „Gottes Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden“(Röm. 12: 1-2; Mt. 26: 36-46) (14.01.2015)

Liebe Brüder und Schwestern,

das Thema unserer heutigen Homilie ist Gottes Willen, oder besser gesagt, dermenschliche  Wille  und  seine  Vereinbarkeit  mit  dem  göttlichen  Willen.  Derheilige Apostel Paulus schreibt: „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne icheuch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen,das  Gott  gefällt;  das  ist  für  euch der  wahre  und angemessene  Gottesdienst. Gleicht  euch nicht  dieser  Welt  an,  sondern  wandelt  euch und erneuert  euerDenken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist, was Ihmgefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm. 12: 1-2).Gottes  Wille  ist,  erstens,  immer  gut,  und  zweitens,  immer  vollkommen. Demgegenüber  ist  der  menschliche  Wille  nicht  immer  gut,  aber  immer unvollkommen. Trotzdem ist der freie Wille des Menschen ein, wenn nicht das Merkmal, das die Ebenbildlichkeit Gottes im Menschen ausmacht. Es ist alsodie  Fähigkeit  des  Menschen,  frei  und verantwortungsvoll  Herz  und Verstandeinzusetzen,  um  Gottes  Willen  zu  entsprechen  –  eine  Begabung,  die  den Menschen  von  den  übrigen  Lebewesen  der  sichtbaren  Welt  unterscheidet. Freiheit und Verantwortung sind ja bekanntlich „siamesische Zwillinge“, zwei Seiten einer Medaille, so dass die eine ohne die andere nicht existieren kann: jegrößer die Freiheit, desto größer auch die Verantwortung. Und zur Sohnschaft Gottes gehört eben Freiheit, die einen Erben von einem Sklaven unterscheidet. Erben kann ein Sohn aber nur, wenn er „mündig“ ist,  also die geistige Reifebesitzt, das Erbe des Vaters anzutreten. Bevor es aber soweit ist, unterscheidetsich der  Erbe nicht  wesentlich von einem Sklaven,  auch wenn er  schon vonGeburt an Herr ist (s. Gal. 4: 1-7). Zur heutigen Gebetswoche haben wir uns das Dreifach-Gebet unseres Herrn imGarten Gethsemane veranschaulicht.  Es ist nicht schwer festzustellen, dass inder  Spanne  vom  ersten  bis  zum  zweiten  und  dritten  Gebet  eine  qualitative Veränderung eintritt:  „Mein Vater,  wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an Mir vorüber. Aber nicht wie Ich will, sondern wie Du willst“ (Mt. 26: 39b), heißtes zu Anfang, und „Mein Vater,  wenn dieser Kelch an Mir nicht vorübergehenkann, ohne dass Ich Ihn trinke, geschehe Dein Wille“ (26: 42 b), ist der Wortlautbeim zweiten und dritten Mal. Es findet ein nuancierter Übergang statt: von flehentlicher Bitte um Gewährungdes menschlichen Willens zur verstärkten Annahme des göttlichen Willens. Esist dies der Prototyp aller Gebete und, wohlgemerkt, das stärkste Gebet, das jegesprochen wurde, vergleichbar nur mit dem Gebet am Kreuz für diejenigen, dieGottes  Sohn ans  Kreuz  geschlagen hatten  (also für  uns  alle):  „Vater,  vergibihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk. 23: 34). Diese beiden stärkstenaller  Gebete  liefern  zugleich  die  Vorlage  für  unser  wichtigstes  Gebet,  durchwelches  wir  Gott  ebenfalls  als  „Vater  im  Himmel“ ansprechen  dürfen  undzusammen  mit  dem  Menschensohn  sagen:  „Dein  Wille  geschehe,  wie  im Himmel, so auf der Erde“ (Mt. 6: 9b, 10b). Das  Gebet  im  Garten  Gethsemane  diente  als  seelische  Vorbereitung  für  dasErlösungswerk am Kreuz. Es ist aus menschlicher Sicht schwer zu akzeptieren, dass  dieses,  vom  Erlöser  der  Welt  unter  blutigem  Schweiß  (s.  Lk.  22:  44)vorgetragene  Gebet  formal  (also  aus  der  Perspektive  menschlichen Willens)nicht erhört wurde, denn Christus musste den Kelch ja bis zur Neige trinken.Der Kreuztod Christi eröffnete uns dadurch aber wieder den Weg zum Paradies.Das  Kreuz  aus  totem  Holz  erwies  sich  dank  der  Befolgung  des  göttlichen Willens als neuer Baum des Lebens, wohingegen der lebendige Baum im Garten Eden  zuvor  durch  die  Befolgung  des  menschlichen  Willens  zum  Baum  desTodes  geworden  war  (s.  Gen.  2:  17;  3:  3).  Erinnern  wir  uns  bei  diesem Gedankengang an die drastischen Worte  Christi  an Petrus,  die  verdeutlichen, dass  der  menschliche  Wille,  wenn  er  im  Widerspruch  zum  göttlichen  steht,immer zum Wegbereiter des Teufels wird: „Weg mit dir, Satan, (…) denn du hastnicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt. 16:23).Genau das taten die Menschen, die den Messias bei Seinem Einzug in Jerusalemfür ihre menschlichen Zwecke missbrauchen wollten. Sie wollten durch Ihn diepolitischen,  sozialen  und  ökonomischen  Gegebenheiten  ihrer  Zeit  verändern,doch als Er verkündete:  „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“  (Joh. 18:36), sprachen sich die gesellschaftlichen Erneuerer und Verfechter menschlicherGerechtigkeit von damals dafür aus, einem Mörder die Freiheit zu schenken undan  seiner  Stelle  Gottes  Sohn  ans  Kreuz  schlagen  zu  lassen.  Es  war  ihnen übrigens schon damals ein Leichtes, das Volk für ihre Sache zu gewinnen, - ein Volk, das den Herrn zuvor zwar mit den Lippen pries, Ihn aber dann, als esdarauf ankam, schändlich verriet. In  unserer  heutigen  Zeit  hören  wir  jedes  Jahr  in  diversen  Ansprachen  und Predigten anlässlich des Festes der Geburt unseres Erlösers, dessen Königtum nicht von dieser Welt ist, wie die Botschaft von der Menschwerdung Gottes auseben  dieser  weltlichen  Perspektive  zu  sein  hatte.  Der  zumeist  gut  gemeinteBezug  der  Weihnachtsgeschichte  auf  das  Elend  zahlreicher  Flüchtlinge  und Obdachloser gleicht dem gut gemeinten Rat des Petrus an Christus, der nichtwollte, dass sein Meister Sich für das Leben der Welt opfert. Aber es ist undbleibt  menschliches  Denken  und  Fühlen,  das  bei  aller  Aufrichtigkeit  dem göttlichen Willen zuwider läuft und letztlich nur dem Teufel zur Freude gereicht.Das  Problem  ist  doch,  dass  dieses  Denken  unter  Bezugnahme  auf  dastagespolitische Geschehen jedes Mal auf eine Änderung der äußeren Umständeabzielt,  aber nicht auf eine  innere Umkehr des Menschen - vom Reich dieserWelt zum Königtum Christi, das nicht von dieser Welt ist. Darum geht es dochbei  der  Frohen  Botschaft  von  der  Erlösung  der  Menschen,  und  um  nichtsanderes!  Stattdessen bietet  der  Teufel  jedoch sein „Evangelium“ an:  Freiheit,Gleichheit, Brüderlichkeit bzw. Demokratie, Toleranz und Menschenrechte. Undso vergisst der Mensch seine eigentliche Berufung, die der hl.  Athanasios soformulierte:  „Gott  wurde  Mensch,  damit  der  Mensch  vergöttlicht  wird“.Niemand ist gegen humanitäre Werte an sich, aber wenn der Widersacher und Verführer durch sie dem Menschen etwas anbietet, was wie die Frucht am Baumder Erkenntnis von Gut und Böse „köstlich“, „eine Augenweide ist“ und „dazuverlockt, klug zu werden“ (s. Gen. 3: 6), dann müssen bei wahren Christen dieAlarmsirenen heulen. „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondert wandelt euchund erneuert euer Denken...“Wenn  also  schon  bei  der  Weihnachtsgeschichte  eine  Fokussierung  aufgesellschaftliche  Themen  vonstatten  gehen  soll,  dann  muss  es  zu  einem Umdenken bei uns selbst führen - weg von der Sünde und hin zu Gottes Liebeund Gnadenreichtum. Wenn wir schon die Heilige Familie betrachten, warumdenken  wir  nicht  daran,  wie  leicht  und  wie  schnell  in  unserer  Gesellschaft Familien  durch  unser  individualistisch  geprägtes  Weltbild  zerstört  werden? Wenn wir uns den massenhaften Kindermord zu Bethlehem zu Gemüte führen,warum denken wir dann nicht an die Millionen unschuldiger Kinder, die mitZustimmung des Gesetzgebers bei uns getötet werden, noch bevor sie überhauptgeboren werden? Ursache für diesen gesellschaftlichen Konsens des Bösen ist doch  jedes  Mal  der  menschliche  Wille,  der  nicht  mit  dem göttichen  Willenkomform  gehen  will.  Erinnern  wir  uns:  Im  Garten  Eden  kulminierte  dermenschliche  Willen  im  Ungehorsam  gegenüber  Gott,  doch  im  Garten Gethsemane wurde durch den Gehorsam Christi, also durch die Unterordnungdes  menschlichen  Willens  unter  den  göttlichen  die  Trennmauer  zwischen Himmel und Erde wieder eingerissen. Das ist  die Lektion,  die jeder von unslernen muss, wenn er Gott um etwas bittet: „Herr, nicht mein Wille geschehe,sondern Deiner!!!“  Das  ist  die  Geisteshaltung,  die  einem wahren Nachfolger Christi zu Ruhm und Ehre gereicht. Und wenn wir schon bei der Verkündigungvon Gottes Wort geopolitische Themen ansprechen müssen, warum wird dannnicht  gesagt,  dass der  Versuch,  anderswo humanitäre  Wertvorstellungen ohne Gott einzuführen dazu geführt hat, dass ehemals gut funktionierende Staaten wieSyrien, Irak oder Libyen heute praktisch nur noch auf der Landkarte existierenund  in  der  politischen  Realität  infolge  von  Stellvertreterkriegen  in  ihreEinzelteile  zerfallen  sind,  so  dass  jetzt  Millionen  Menschen  in  ihrer Verzweiflung Schutz bei uns suchen?! Wollen wir nicht erkennen, dass da, wosich  einst  der  Garten  Eden  befand  und  der  Turm  von  Babylon  quasi  als Mahnmal  für  die  unvermeidlichen  Folgen  der  Ablehnung  der  göttlichen Ordnung  stand,  heute  der  unvermeidliche  Zusammenstoß  zwischen  zweieinander  unversöhnlich  gegenüberstehenden  Ideologien  stattfindet:  destotalitären  okzidentalen  Liberalismus  zum einen,  für  den Gotteslästerung  ein Grundrecht ist,  und des radikalen orientalischen Theokratismus zum anderen,für den das barbarische Abschlachten Andersgläubiger eine Grundpflicht ist?! -All das passiert, weil wir in unserem ent-christlichten Weltbild nicht erkennenwollten, dass wir zwar zur Freiheit berufen sind, diese für sich selbst aber - ohne Verantwortung gegenüber Gott und dem Mitmenschen - zur Sklaverei der Sündewird.  Es  ist  doch  geradezu  grotesk,  wenn  man  sich  im  Westen  darüberechauffiert,  dass  sexuelle  Minderheiten  in  Russland  keine  Straßenparaden durchführen  dürfen,  während  in  anderen,  am gegenwärtigen  Leid  unzähliger Menschen nicht ganz unbeteiligten Staaten schon der Besitz einer Bibel unterStrafe  gestellt  wird.  Doch  Letzteres  interessiert  hierzulande  keinen,  der Teilwahrheitspresse sei Dank. Vor  gut  einem  Monat  fand  die  alljährliche  feierliche  Verleihung  des Menschenrechtspreises  der  Stadt  Weimar  an  die  beiden  von  Islamistenentführten christlichen Metropoliten von Aleppo (Syrien) statt. Der Vertreter der „Gesellschaft  zum  Schutz  bedrohter  Völker“  und  der  Vorsitzende  des Preisverleihungskommittees nutzten die Gelegenheit, um aus gegebenem Anlassauf  die  Verfolgung  der  Christen  vornehmlich  in  muslimischen  Ländernaufmerksam zu  machen,  während  dem  frischgebackenen  Ministerpräsidentenund dem Oberbürgermeister – beides bekennende Christen - unter dem Eindruckder gerade begonnenen Diskussionen um PEGIDA nichts besseres einfiel, als füreine offenere Gesellschaft bei uns zu werben. Bei allem aufrichtigem Respektvor beiden Politikern, - wäre Deutschland nicht schon immer ein weltoffenesLand  gewesen,  hätte  sich  meine  Familie  vor  zwei  Generationen  hier  nichtheimisch  fühlen  können.  Meine  Großväter  und  Großmütter  kamen  nachWesteuropa, als in unserer Heimat gerade ein Großversuch gestartet wurde, das Paradies auf Erden ohne Gott zu schaffen. Wir durften hier (übrigens auch in derZeit von 1933 bis 1945) immer ganz selbstverständlich unseren Glauben lebenund  unsere  Kultur  bewahren,  aber  genauso  selbstverständlich  war  für  die Generationen 1-4, dass man sich in die hier vorherrschende Kultur zu integrierenhatte. Fehlt diese Bereitschaft, kommt es unweigerlich zu Komplikationen.Was  erleben  wir  heute?  -  Deutsche,  aber  auch  russische  Mädchen,  diemuslimische  Jungen lieben,  werden von deren Familienmitgliedern  gedrängt,den Islam anzunehmen. Deshalb sieht man heute so viele europäisch aussehendejunge  Frauen  auf  der  Straße,  die  ein  Kopftuch  tragen  und  einen  Tandem-Kinderwagen vor sich her schieben. Können Sie sich die umgekehrte Situationin einem muslimischen Land auch nur ansatzweise vorstellen?! Oder wenigstensin  Westeuropa?!..  Wie  lange  also  wollen  wir  uns  noch  von  der  Politikvorgauckeln lassen, dass Toleranzdebatten immer nur eine Einbahnstrasse seinmüssen?! Da freut  man sich heute  fast  schon darüber,  dass in  der  angeblichlaizistischen Türlei erstmals nach 90 Jahren wieder ein Kirchenbau genehmigtwurde (man könnte meinen, dies sei in den 450 Jahren zuvor im Osmanischen Reich an der Tagesordnung gewesen!), und nimmt nur am Rande wahr, dass inunserer  Hauptstadt  der  Kreuzberger  Weihnachtsmarkt  mittlerweile  in „Wintermarkt“ umbenannt wurde... Was wird denn angesichts einer derartigen Entwicklung sein, wenn in dreißig Jahren das Oktoberfest oder der Karneval mitdem Ramadan zusammenfallen?... Muss das christliche Gebot der Nächstenliebeauch die Bereitschaft zur kontinuierlichen Selbstabschaffung beinhalten, damitwir  dem  Mainstream  mit  seinen  selbsternannten  Standards  der  politicalcorrectness entsprechen können?!..Wir Christen dürfen es nicht zulassen, dass christliche Normen, Traditionen und Grundsätze  durch  den  ferngesteuerten  Zeitgeist  immer  weiter  aus  unsererGesellschaft verdrängt werden. So ermahnt uns der Apostel Paulus:  „Alle, dievom Fleisch bestimmt sind, trachten nach dem, was dem Fleisch entspricht, alle,die vom Geist bestimmt sind, nach dem, was dem Geist entspricht. Das Trachtendes  Fleisches  führt  zum  Tod,  das  Trachten  des  Geistes  aber  zu  Leben  undFrieden.  Denn  das  Trachten  des  Fleisches  ist  Feindschaft  gegen  Gott;  esunterwirft  sich  nicht  dem  Gesetz  Gottes  und  kann  es  auch  nicht.  Wer  vomFleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht vom Fleisch,sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer denGeist Christi nicht hat, der gehört nicht zu Ihm“ (Röm. 8: 5-9). Für mich gibt es keinen eindringlicheren Aufruf als diesen, sich vermehrt umdas Seelenheil,  und weniger um die  Belange dieser  Welt  zu kümmern – vorallem zum Fest der Geburt Christi oder zum Tage Seiner Auferstehung. Es darf nicht  sein,  dass  die  Heilsbotschaft  Gottes  nach  menschlichem  Willenuminterpretiert wird, anstatt dass sie ihrer ursprünglichen Bedeutung Rechnungträgt  -  nämlich  die  Menschen  zur  Umkehr  zu  Gott  zu  bewegen.  Nur  diese Umkehr  führt  zu  „Leben  und  Frieden“.  Wenn  die  aktuelle  Nachrichtenlageetwas Gutes an sich hat, dann nur dies, dass sie die Worte der Heiligen Schriftjedes Mal von neuem unwiderlegbar bestätigt. Was die Welt aber heute braucht, sind keine weisen, für einen selbst zu nichts verpflichtenden Ratschläge an die Politik seitens der Kirchen, sondern Christen, die „sich selbst als lebendiges undheiliges Opfer darbringen, das Gott gefällt“. Dazu müssten wir selbst aber alle lernen, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Amen

Jahr:
2015
Orignalsprache:
Deutsch