Predigt zum fünften Herrentag der Großen Fastenzeit (Hebr. 9: 11-14; Mk. 10: 32-45) (06.04.2014)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

eine Woche vor dem Gedenken an die Leiden und den Tod des Herrn schauen wir auf Christus, den „Hohepriester der künftigen Güter“ (Hebr. 9: 11), und vor dem Hintergrund des alttestamentlichen Kultes mit seinen symbolischen Sündenopfern (s. Num. 19) betrachten wir mit unseren geistlichen Augen das vollkommene wahre Opfer des einzigen Hohepriesters: „Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh die Unreinen, die damit besprengt wurden, so heiligt, dass sie leiblich rein werden, wie viel mehr wird dann das Blut Christi, Der Sich Selbst kraft ewigen Geistes Gottes als makelloses Opfer dargestellt hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen“ (Hebr. 9: 13-14).

Alles, was sich in der Gemeinschaft mit Gott in der Kirche „kraft des ewigen Geistes Gottes“ vollzieht, betrachten wir gemeinhin als Gottesdienst. Im Gegensatz dazu ist das, was sich außerhalb des Kontextes des Erwerbs der „ewigen Güter“ abspielt, den „toten Werken“ zuzuordnen (vgl. Hebr. 6. 1). Erstaunlicherweise hatten selbst Jakobus und Johannes noch kurz vor dem Leidensweg des Herrn eine vollkommen verkehrte Sicht auf die Dinge: „Lass in Deinem Reich einen von uns rechts und den anderen links von Dir sitzen“ (Mk. 10: 37). - So einfach ist das also? Durch „Vitamin B“ erlangt man ganz ohne Mühe die Herrschaft im Reich des Messias?.. - Nein! Christus, der Herr, Dem alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben ist (s. Mt. 28: 18), entgegnet ihnen darauf: „Den Platz zu Meiner Rechten und zu Meiner Linken habe nicht Ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind“ (Mk. 10: 40). Er verfährt dabei also nicht nach Gutsherrenart, wie es die Despoten dieser Welt zu tun pflegen, sondern konsequent nach den von Ihm Selbst eingesetzten und (bis zum Tode) vorgelebten Kriterien: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein; und wer bei euch der erste sein will, soll der Sklave aller sein“ (10: 43-44). Nicht einmal für den Lieblingsschüler und seinen Bruder gibt es da einen Extra-Bonus. Auch sie müssen zuvor den „Kelch“ des Todes Christi austrinken (vgl. Mt. 26: 39) und die „Taufe“ Seiner Betrübnis und Leiden (vgl. Lk. 12: 50) über sich ergehen lassen. Irdische, menschliche Beziehungen haben für das Reich Gottes hingegen keinerlei Bedeutung (vgl. Mt. 12: 46-50; Mk. 3: 31-35; Lk. 8: 19-21). Nur wer sich um Christi willen anstrengt und aufopfert, wird einen Ehrenplatz im Himmelreich erhalten, „denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um Sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und Sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk. 10: 45).

Eines der leuchtendsten Beispiel für diese aufopferungsvolle und kompromisslose Treue in der Nachfolge Christi ist die hl. Maria von Ägypten, die bekanntlich 46 Jahre lang bis zu ihrem Hinscheiden in der Wüste gelebt und so Buße für ihr vormalig sündhaftes Leben getan hatte. Aber ist dieses Extrembeispiel der Askese noch aktuell für unsere moderne Zeit?..

Wir besprachen anhand der heutigen Lesung aus dem Markusevangelium bereits, dass die Jünger auch nach der dritten unmissverständlichen Vorankündigung der Leiden und der Auferstehung des Herrn noch immer in weltlichen, irdischen Kategorien dachten, und sich somit den Unmut ihres Meisters zuzogen, „denn das Trachten des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott“ (Röm. 8: 7). Wie zuvor Petrus hatten die Söhne des Zebedäus als engste Vertraute des Herrn „nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt. 16: 23). Und darin liegt das Problem, mit dem wir, halbherzige Christen, uns unser ganzes Leben herumschlagen!

Wir müssen nicht radikal der äußeren Welt entfliehen, um einzusehen, dass unsere Bestimmung in der Erfüllung des göttlichen Willens liegt – der Erlangung unseres Seelenheils. Aber auch wir können zu der Erkenntnis gelangen, dass ein Leben ohne ständige Berieselung durch Massenmedien und Unterhaltungselektronik, ohne den üblichen Alltagsstress, - fernab aller Ablenkungen und Vergnügungen - uns Gott näher bringen kann. Auch wer wenig Zeit und viele Verpflichtungen hat, kann wenigstens morgens und abends oder auch mal tagsüber zwischendurch für wenige Minuten oder Sekunden alle sichtbaren und unsichtbaren Türen verschließen, „in seine Kammer“ gehen (Mt. 6: 6), und in dieser „Wüste“ mit Gott allein sein.

An uns alle erging ja der Aufruf zur Umkehr im Neuen Testament (s. Mt. 3: 2; Mk. 1: 4, 15; Lk. 3: 9, Apg. 2: 38). Wahre Umkehr bedeutet, dass man sich selbst als größten Sünder erkennt, sich auf seine eigenen Verfehlungen fokussiert und den Herrn demütig um Vergebung anfleht. Und das ist schon Heiligkeit! - Warum folgen wir dann aber nichtsdestotrotz dem Beispiel des Pharisäers, und nicht des Zöllners (s. Lk. 18: 9-14) – erfüllen rein äußerlich die „Norm“, klagen aber gleichzeitig andere an, anstatt uns selbst?! - Offensichtlich fehlt uns der Glaube: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9: 24).

Das Heil ist so nahe, wenn wir die eine Regel befolgen: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt. 7: 1; vgl. Mk. 4: 24 und Lk. 6: 37). Die von Gott gegebene Urteilskraft wollen wir im strengstmöglichen Sinne gegen uns selbst einsetzen, damit wir, wie die hl. Maria von Ägypten, „nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben“ (Röm. 8: 4). Auf anderem Wege ist kein Heil möglich, denn nur wenn wir uns solcherart „vom Geist Gottes leiten lassen“ (8: 14), werden wir vor dem furchtbaren Richterstuhl Christi bestehen und bösen Überraschungen entgehen können (s. Mt. 25: 31-46). Amen.