Predigt zum Hochfest der Taufe Christi (19.01.2014)

 

(Tit. 12: 11-14, 3: 4-7; Mt. 3: 13-17)

 

Liebe Brüder und Schwestern,

 

am heutigen 30. Sonntag nach Pfingsten begehen wir das Fest der Taufe Christi. Liturgisch bedeutet das, dass der „Herrentag vor Theophanien“ entfällt, war doch der letzte Sonntag schon mit dem „Herrentag nach Christi Geburt“ kalendarisch belegt.

 

Wie aus Kirchengeschichte und Liturgiewissenschaft bekannt, feierte die Kirche ursprünglich die Geburt und die Taufe Christi zusammen als ein Fest. Beide, sowohl die Geburt des Logos im Fleisch, als auch die Taufe des Herrn und das Herabkommen des Heiligen Geistes auf Ihn sind ja Erscheinungen Gottes = Theophanien. „Wahrhaftig, das Geheimnis unseres Glaubens ist groß. (Gott) wurde offenbart im Fleisch, gerechtfertigt durch den Geist, geschaut von den Engeln, verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit“ (1. Tim. 3: 16). Eine treffendere Symbiose beider Gotteserscheinungen in dieser Welt gibt es wohl nicht. Sie sind demnach Manifestationen der heilbringenden Gnade Gottes, denn durch die Geburt Christi im Fleisch wird Gott den Menschen gleich (s. Phil.2: 7), während durch die Taufe in Christus (s. Gal. 3: 27) der Mensch Gott gleich wird.

 

Aber die spirituelle Dimension dieser Ereignisse geht noch viel weiter. Die theologische und heilsgeschichtliche Verbindung beider Feste spiegelt sich z.B. auch in der Ikonographie wider. Wenn wir vor unserem geistigen Auge die beiden Festtagsikonen betrachten, sehen wir, dass sowohl die Umrisse des Viehstalls, in dem die Krippe mit dem Christkind steht, als auch die Uferkonturen des Jordans auf die Grabhöhle deuten, die wir auf der Osterikone erkennen. Die orthodoxe Ikonographie stellt nämlich niemals die leibliche Auferstehung Christi als solche dar – denn wie diese vonstatten ging, bleibt dem begrenzten menschlichen Verstand verborgen – sondern vielmehr die „Höllenfahrt“ des Herrn. Darauf abgebildet ist, wie der Auferstandene, durch die Wundmale am Körper gezeichnet, an beiden Händen die Ureltern Adam und Eva, und in ihrem Gefolge die übrigen Heiligen der vorchristlichen Ära, dem Schlund der Hölle entreißt. Unter den Füßen des Herrn liegen die Pforten der Hölle zerschmettert darnieder, der Hades selbst ist in Form abgrundtiefer Finsternis im Inneren der Grabhöhle dargestellt. Und eben diese Finsternis wird ikonographisch bereits durch die Geburtshöhle Christi sowie durch die Fluten des Jordan, in denen unter den Füßen des Herrn die „zertretenen Häupter der Drachen“ (s. Taufritus) zu sehen sind, angedeutet.

Zweifelsfrei errettet Christus uns durch Seine Gnade. Allerdings kann diese Gnade Gottes nicht ohne das freie, ungezwungene Dazutun des Menschen wirksam werden. Bei der Geburt Christi ist es deshalb die unbefleckte, von allen Geschlechtern seliggepriesene Jungfrau Maria (s. Lk. 1: 48), Die im Namen der ganzen Menschheit zum Engel des Herrn spricht: „Ich bin die Magd des Herrn, Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk. 1: 38) – und so zum „lebendigen Tempel des Allerhöchsten“ wird; bei der Taufe Christi ist es Johannes der Täufer, der Höchste unter den von Frauen Geborenen (s. Mt. 11: 11 und Lk. 7: 28), der sich stellvertretend für uns alle dem göttlichen Willen unterordnet und den Herrn im Jordan tauft (s. Mt. 3: 14). Aber weder die Mutter Gottes bei der leiblichen Geburt, noch der Täufer Christi bei der geistlichen Geburt sinken in die Finsternis herab – die Jungfrau liegt auf der Ikone neben dem Christkind, aber außerhalb der Finsternis der Höhle, und der Täufer legt seine Hand auf das Haupt des Erlösers, wobei er jedoch außerhalb der im Flussbett angedeuteten Finsternis steht. Auch wenn beide Zeit ihres Lebens für Christus bzw. mit Christus leiden werden, Den unendlichen Abgrund der Finsternis, den Moment der totalen Gottverlassenheit kostete zur Erlösung aller in Seiner Todesstunde einzig der Menschensohn, als Er am Kreuz hängend, nach Anbruch der totalen Finsternis auf der ganzen Welt ausrief: „Eloi, Eloi, lema sabachtani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ (Mk. 15: 34; vgl. Mt. 27: 45-46). Es ist unbegreiflich: Gott musste um unseres Heiles willen an den Ort gehen, „wo es Gott nicht gibt“!

„Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste unter den Entschlafenen“ (1. Kor. 15: 20). Und nun, liebe Brüder und Schwestern, wissen wir, dass wir in unserer Todesstunde nicht allein, sondern mit Dem sein werden, mit Dem wir uns in der Taufe vereinigt haben. Am Tag unserer Taufe wurde doch in der Kirche gelesen: „Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt, der Tod hat keine Macht mehr über Ihn. Denn durch Sein Sterben ist Er ein für allemal gestorben für die Sünde, Sein Leben lebt Er aber für Gott. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (Röm. 6: 9-11).

 

Nun wird uns deutlich, warum der Apostel sagt: „Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen. Ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen“ (Gal. 1: 11-12).

Menschliche Klügelei ist hier völlig fehl am Platz. Der menschliche Verstand allein ist für die Botschaft vom Kreuztod und der Auferstehung nicht empfänglich (s. Apg. 17: 12  und  1. Kor. 1: 23)

 

Ich habe mal einen intelligenten und gebildeten Menschen sagen hören, dass er zwar nicht an Gott glaubt und folglich keiner Religion angehört, dass er aber, wenn er an Gott glauben könnte, am liebsten Christ sein würde. Zu schön sei das, was im Evangelium verkündet wird.

 

Zu schön, um wahr zu sein?! - Eher umgekehrt: Kann etwas, was so schön ist, unwahr sein? Etwas, was noch dazu in sich so schlüssig und zusammenhängend ist?

 

Als ich vor einigen Jahren erstmals die Bildergalerie „Alte Meister“ in Dresden besuchte und vor der Sixtinischen Madonna von Rafael stand, war ich von ihrer überirdischen Schönheit so überwältigt, dass mir spontan der Gedanke kam: Eigentlich kann kein Mensch Atheist bleiben, wenn er dieses Bild gesehen hat!

 

Und doch gibt es diese Menschen zuhauf, weil sie auf ihren Verstand hören, anstatt sich mit dem Herzen dem Höheren zu öffnen. Die Folge des Sündenfalls war ja, dass die drei von Gott gegebenen Kräfte im Menschen – der Verstand, das Herz und der Wille – auseinanderdrifteten, anstatt einander zum Wohle des Menschen zu ergänzen. Wenn aber dieser Missakkord durch die Taufe und ein Leben in Christus wieder in ursprüngliche Harmonie gebracht wird, erntet der Mensch alsbald die Früchte der Gnade Gottes: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal. 5: 22-23).

 

In der Taufe werden wir zu neuem Leben in Christus geboren, d.h. die Folgen des Abfalls des Menschen von Gott werden nicht nur getilgt und durch die Vereinigung mit dem Neuen Adam zunichte gemacht, - denn „Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist“ (1. Kor. 15: 45), - mehr noch: wir erlangen dank der lebenspendenden Gnade sogar den Zustand des Überirdischen, wie es da heißt: „Zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische. Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde, der Zweite Mensch stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie Der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch Seine Nachfahren“ (15: 46-48).

Also ist Gottes Heilsplan so ausgelegt, dass der Sündenfall des Menschen dank des Erlösungswerks Christi am Ende sogar noch eine ontologische Verbesserung der menschlichen Natur zur Folge hat: „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden“ (Röm. 5: 20).

 

Aber nur durch ein Leben in dieser Gnade des Heiligen Geistes, die wir im Mysterium der Myronsalbung empfangen, können wir hier auf Erden zu himmlischen Geschöpfen und zu Bürgern des Himmelreichs werden. Dazu müssen wir ernsthaft bestrebt sein, den Herrn, unseren Gott, zu lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all unserer Kraft und all unseren Gedanken (s. Dtn. 6: 5;  Mt. 22: 37, 39;  Lk. 10: 26-27)  – und wenn wir das tun, können wir schließlich gar nicht anders, als auch unseren Nächsten zu lieben, wie uns selbst, denn „Christus ist alles und in allen“ (Kol. 3: 11). Dann und nur dann werden wir, die wir „nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden“, ebenso „nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden“ (1. Kor. 15: 49). Wir alle müssen wissen: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben; das Vergängliche erbt nicht das Unvergängliche“ (15: 50).

Somit ist die Taufe Christi für den menschlichen Verstand in ihrer Ganzheit ebenso unfassbar, wie die Auferstehung. Doch etwas aus dieser unendlichen Tiefe können selbst wir in unserer Begrenztheit begreifen, und zwar, dass der Mensch gewordene Gott alle Sünden des Menschen auf Sich nimmt, und dass diese in den Fluten des Jordans durch die Gnade des Heiligen Geistes abgewaschen werden. Aber anders als sonst nach jeder Reinigung, jedem Wasch- oder Spülvorgang, nach denen das Abwasser verschmutzt und unbrauchbar ist, wird bei der Taufe Christi das Wasser geheiligt, - und die gesamte Materie gleich mit ihm. Durch den makellosen Menschensohn erhält das Wasser sogar die Eigenschaft, den Menschen kraft der göttlichen Gnade von seinen Sünden reinzuwaschen. Und diese Verkehrung der Gesetze der Natur wiederum ist eine vorweggenommene Andeutung der Erlösung des Menschen durch die Auferstehung Christi: die Hölle wähnte sich nämlich beim Tode des Menschensohns am Ziel, doch anstelle eines Menschen nahm sie Gott auf, Den sie nicht halten konnte, so dass Er ihr all jene entriss, die an Ihn glaubten. Der freiwillige Tod von Gottes Sohn gemäß der menschlichen Natur führte zur Auferstehung des Menschen und zu dessen Aneignung der göttlichen Natur.

 

Und wieder schließt sich in der Person Christi der Kreis der diesseitigen Welt, bestehend aus Zeit, Materie und Raum. Durch Seinen Eintritt in die Geschichte heiligte Gott die Zeit, durch Seine Taufe im Wasser weihte Er die Materie, und durch das lebenspendende, in die vier Himmelsrichtungen weisende, aus einer vertikalen und horizontalen Linie bestehende Kreuz segnete Er den Raum. Somit verstehen wir auch, „dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf Seinen Tod getauft worden sind“ (Röm. 6: 3). Nicht von ungefähr heißt „taufen“ im Slawischen крестить (von крест = Kreuz). Das dreimalige Untertauchen symbolisiert die dreitägige Grabesruhe des Herrn, an deren Ende die Auferstehung steht: „Wir wurden mit Ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Wenn wir nämlich Ihm gleich geworden sind in Seinem Tod, dann werden wir mit Ihm auch in Seiner Auferstehung vereinigt sein“ (6: 4-5).

Amen.