Predigt zum Hochfest der Verkündigung d. Allerheiligsten Gottesgebärerin (Hebr. 2:11-18; Lk. 1:24-38) (07.04.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, in der Verkündigung an die Allerheiligste Gottesgebärerin erkennen wir den „Anfang unserer Errettung“, denn „der Sohn Gottes wird zum Sohn der Jungfrau, und Gabriel verkündet die Gnade“ (s. Troparion zum Fest). Im Moment der Verkündigung nimmt Gott durch das Überkommen des Heiligen Geistes im Schoße der Jungfrau menschliche Gestalt an. Es ist zugleich die Verkündigung der Gnade, die nun gekommen ist, um das Gesetz abzulösen (s. Röm. 5:2,20-21). In der für heute vorgeschriebenen Lesung heißt es über die Liebe Gottes zu uns, Seinen Kindern: „Da nun die Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, hat auch Er in gleicher Weise Fleisch und Blut angenommen, um durch Seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren“ (Hebr. 2:14-15). Die Liebe Gottes hat sich also vermenschlicht in Person unseres Erlösers Jesus Christus. Er hat den Teufel mit dessen eigenen Waffen geschlagen – durch den Tod hat Er den Tod überwunden. Doch wie geschah dies? - Wir lesen weiter: „Denn Er nimmt Sich keineswegs der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt Er Sich an. Darum musste Er in allem Seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hohepriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen“ (2:16-17). - Gott ehrt die menschliche Natur und erhöht sie dadurch, dass Er Selbst Anteil an ihr nimmt. Der Bildner wird selbst zum Bildnis, wodurch der Mensch nun Anteil an der göttlichen Natur hat. Der nach dem Ebenbild des Schöpfers geschaffene Mensch ist ontologisch höhergestellt als die Engel, die das Abbild Gottes nicht in sich tragen. Doch von allen Menschen vermochte es allein die allerheiligste Jungfrau durch ein Leben in vollkommener Hingabe an Gott die Engel an gelebter Heiligkeit zu übertreffen. Sie ist „geehrter als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Seraphim“. Das kommt unter anderem im Hochfest Ihrer Einführung in den Tempel zum Ausdruck, in dem bereits angedeutet wird, dass Sie der wahre Tempel Gottes ist. Und heute erfüllt sich diese prophetische Andeutung! Sinnbildlich für die Hingabe der Gottesgebärerin an Gott sind folgende prophetische Worte: „Höre, Tochter, und sieh, und neige Dein Ohr, und vergiss Dein Volk und das Haus Deines Vaters, denn es verlangt der König nach Deiner Schönheit, denn Er ist Dein Herr, und Du wirst Ihn anbeten“ (Ps. 44:11-12). Diese Worte kündigen die Berufung der Begnadeten an, Die im Kindesalter Ihr Elternhaus verließ, weil Gott, Ihr Herr, nach Ihrer seelischen Schönheit verlangte. Im Evangelium wird diese Liebe zu Gott folgendermaßen ausgedrückt: „Denkt nicht, Ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn Ich bin gekommen, um den Sohn mit Seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht würdig“ (Mt. 10:34-37; vgl. Lk. 12:51-53). Ruft der Herr etwa zu Spaltungen innerhalb der Familie auf?! Das sei ferne! Aber Er nimmt die strikte Unterscheidung zwischen göttlicher (geistlicher) und menschlicher (fleischlicher) Liebe vor (s. Joh. 3:6). Die Liebe zu Gott soll über allem stehen, - woraus sich dann aber auch ergibt, dass die Liebe zu Gottes Abbildern auf einer Stufe mit dieser Liebe stehen soll; daran wiederum hängt das Gesetz samt den Propheten (s. Mt. 22:37-40; Mk. 12:29-31; Lk. 10:27-28). Der Herr sagt ferner: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre Ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und Ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist“ (Lk. 12:49-50). Mit dem „Feuer“ ist der Heilige Geist gemeint, mit der „Taufe“ Christi Tod und Seine Auferstehung. An beiden sollen die nach dem Abbild Gottes geschaffenen Menschen teilhaben. Aber wenn die auf das Seelenheil fokussierte Liebe, die keine irdischen Unterscheidungen kennt (s. Röm. 10:12; 1 Kor. 12:13; Gal. 3:26-29; Kol. 3:11), im Widerspruch zur irdischen Liebe steht, welche immer mehr ausgrenzt als dass sie vereinen würde, kommt es unweigerlich zu Konflikten. Wer Eltern, Ehegatten, Kinder und Geschwister, dazu sein Land und sein Volk „über alles liebt“, kann dann logischerweise andere Menschen oder andere Nationen nicht gleichermaßen lieben. Diese Art von Liebe ist natürlich, von Gott gesegnet, - aber nur solange sie die göttliche Liebe nicht überlagert. Und mit zunehmender geistlicher Reife sehnt sich der Geist des Menschen ohnehin nach der vollkommenen tugendhaften Liebe in der Nachfolge Christi (s. Mt. 10:38-39; 16:24-27; Mk. 8:34-38; Lk. 9:23-26). Die allerheiligste Gottesgebärerin erfüllte dieses Gebot der Liebe im vollen menschenmöglichen Maße. Sie war keine Sozialreformerin oder Wohltätigkeitsgründerin. Doch Ihre Liebe zu Gott bewirkte, dass Gott als Antwort auf diese Liebe Selbst Fleisch und Blut annahm, um durch Seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hatte. Dadurch erwies Sie der Menschheit den allergrößten Dienst. Und auch jetzt haben wir Sie als alles vermögende Fürsprecherin vor Gottes Thron. Dank dieser göttlichen Liebe, welche die Mutter des Herrn in Ihrem Herzen zu Gott und den Menschen hatte, konnte der Allerhöchste in der Erfüllung der Zeiten endlich nach Seiner ewigen Vorsehung Sein Heilwerk auf Erden vollbringen. Und wir können uns wie die Theotokos am Heilsplan Gottes beteiligen, wenn wir die zu unserer Errettung geschehenen Ereignisse in unseren Herzen bewahren (s. Lk. 2:19; 2:51). Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch