Predigt zum Herrentag vom verlorenen Sohn (1 Kor. 6:12-20; Lk. 15:11-32) (28.02.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, die Kirche fährt heute weiter in ihrem Bemühen fort, uns auf die Zeit der Selbstläuterung einzustimmen. Dazu müssen wir uns die Fähigkeit aneignen, nach Möglichkeit gemäß Gottes Gerechtigkeit zu sinnen und zu handeln, nicht nach der menschlichen (vgl. Jes. 55:8-9; Röm. 8:12-17). Denn nach Gottes Gerechtigkeit wurde in der Lesung vor einer Woche die äußere Tugendhaftigkeit des Pharisäers verworfen und die innere Bußfertigkeit des Zöllners honoriert. Und heute lesen wir im Gleichnis vom verlorenen Sohn, dass dem reuigen Sünder sogar größere Gnade zuteil wird als demjenigen, der das Gesetz nicht gebrochen hat (s. Lk. 15:29-30). Ist das ungerecht (vgl. Mt. 20:9-16)?.. - Doch wie sonst soll Gott die Sünder berufen, wenn Er ihnen nicht in Aussicht stellt, dass sie auch noch mit dem letzten Atemzug Buße tun können und ins Paradies eingehen können (s. Lk. 23:42-43)?!.. Welch ein Anreiz auch für uns! Aber umgekehrt wird ja auch ein Mensch, der sein ganzes Leben fromm gelebt hat, seine Seele verlieren, wenn er sich im letzten Augenblick vom Glauben abwendet. Selbstgerechtigkeit tötet die Seele, die Buße belebt sie aber, weshalb wir uns eher mit dem jüngeren denn mit dem älteren Sohn identifizieren sollten. Das Beispiel des verlorenen Sohnes soll in uns demnach die Bereitschaft erwecken, uns selbst als verirrte, auf tierisches Niveau heruntergekommene, völlig unwürdige Kinder unseres himmlischen Vaters anzusehen. Und das ist nicht so schwer. Lassen wir uns etwa nicht in die Irre führen, wenn wir nahezu täglich stundenlang immer neue Horrorgeschichten im Internet aufgreifen und diese noch dazu an andere versenden, aber nicht daran denken, dass das, was gerade geschieht, uns von Gott als Reinigung für die Seelen herabgesandt worden ist? Und wie viel Zeit wenden wir im Vergleich zu dieser die Psyche zersetzenden Betätigung für das Gebet auf?!.. Wenn wir aber so handeln, wie der Widersacher es von uns erwartet, dann sind wir vom Fleisch bestimmt (also um unser leibliches Wohl besorgt – vgl. Mt. 16:25; Mk.8:35; Lk. 9:24) und können Gott nicht gefallen (s. Röm. 8:8). Menschen sind aber dazu bestimmt, nicht wie Tiere nach dem Fleisch zu leben. „Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: ´Abba, Vater!` So bezeugt der Geist selber unserem Geist, das wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit Ihm leiden, um mit Ihm auch verherrlicht zu werden“ (Röm. 8:15-17). Und wenn wir jetzt unseren Vorstehern die Gefolgschaft verweigern (vgl. Hebr. 13:17), erweisen wir uns als unwürdige Kinder unseres Vaters (s. Lk. 15:19,21). Dabei ist auch mir bewusst, dass jeder Mensch sich irren kann. Wichtig ist, dass wir die Einheit der Kirche bewahren und keine Meuterei an Bord des Schiffes anzetteln oder bei hohem Wellengang übereilt von Bord gehen. So werden wir erst recht im Glauben Schiffbruch erleiden (s. 1 Tim. 1:19). Beteiligen wir uns vielmehr durch Gebet und durch die gelebte mystische Einheit aktiv im Leib Christi am katholischen Prozess der Wahrheitsfindung der Kirche! Wir alle sind der Leib Christi, „jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm gegeben hat“ (Eph. 4:7). Jedes Mitglied der Kirche hat demzufolge seine Aufgabe und seine Verantwortung, die es zum Aufbau, und nicht zur Zerstörung des Leibes Christi einbringen soll! Dann kann bei Bedarf jederzeit auch eine Kurskorrektur vorgenommen werden. Wenn der Heilige Geist es ist, Der in der Kirche die oberste Leitungsfunktion innehat, müssen wir uns, jeder für sich, als Söhne und Töchter Gottes vom Geist leiten lassen (s. Röm. 8:14). Was jetzt passiert, kommt ja nicht unerwartet. Über die gegenwärtigen Aufwiegler schrieb der Apostel seinerzeit: „Sie werden die Einheit zerstören, denn sie sind irdisch gesinnte Menschen, die den Geist nicht besitzen“ (Jud. 19). Aber weshalb reden wir schon wieder so viel über das Weltgeschehen? Uns geht es doch um die Reinigung unserer Seelen. Erkennen wir endlich, dass wir ohne die Erkenntnis unserer Entfremdung von Gott irgendwann so tief in den Sumpf der irdischen Leidenschaften eingetaucht sein werden, dass wir ohne Gottes Hilfe nicht mehr wieder hinauskommen werden. „Sucht den Herrn, solange Er Sich finden lässt, ruft Ihn an, solange Er nahe ist. Der Ruchlose soll seinen Weg verlassen, der Frevler seine Pläne. Er kehre um zum Herrn, damit Er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; denn Er ist groß im Verzeihen“ (Jes. 55:6-7). Wie glücklich wir uns schätzen dürfen, dass wir dieses wunderbare Gleichnis von der alles verzeihenden Milde des himmlischen Vaters haben, Der nicht aufhört, uns als Seine geliebten Kinder anzusehen, selbst wenn wir uns von Ihm abgekehrt haben. Welch eine Hoffnung auch für die, welche den Weg des Heils verlassen bzw. noch nicht gefunden haben! Gott will ja, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim. 2:4). In zwei Wochen beginnt unser langer Marsch zurück in die ausgebreiteten Arme unseres himmlischen Vaters. Treten wir Ihm mit gesenktem Haupt entgegen wie der Zöllner vor Wochenfrist und wie der verlorene Sohn heute, dann wird Er uns schon aus der Ferne mitleidsvoll erblicken und uns sofort entgegenrennen, uns umarmen und küssen (s. Lk. 15:20). Alles andere um uns herum ist nebensächlich. Ich will jedenfalls nicht wieder so eine erste Fastenwoche erleben, in der überall nur von den Geschehnissen auf den Nachrichtenkanälen die Rede ist. Also bitte: „Ihr müsst unerschütterlich und unbeugsam am Glauben festhalten und dürft euch nicht von der Hoffnung abbringen lassen, die euch das Evangelium schenkt“ (Kol. 1:23). Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch