Predigt zum 34. Herrentag nach Pfingsten (Kol. 3:12-16; Lk. 18:18-27) (31.01.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, der Dialog unseres Herrn mit einem der führenden Männer (dem Evangelisten Matthäus zufolge ist das ein noch junger Mann – s. Mt. 19:22) offenbart gleich zu Beginn die Diskrepanz zwischen menschlicher und göttlicher Denkweise. Der womöglich noch unerfahrene Fragesteller weiß nicht genau, wie er den Herrn anreden soll: als göttlichen oder bloß als menschlichen Lehrer? Und so entschließt er sich zur Kompromissformel „guter Meister“ (Lk. 18:18) – und hört darauf die moderate Zurechtweisung des Herrn, Der ihm gleichsam zu verstehen gibt: „Wenn Ich für dich Gott bin, dann darfst du Mich auch gut nennen; da Ich für dich aber nur ein Lehrer vom Rang eines Schriftgelehrten bin, dann lass doch bitte diese gekünstelte Sprache!“ Der Herr wird im weiteren Verlauf des Gesprächs erkennbar machen, dass der Grund für die zwiespältige Vorgehensweise des jungen Mannes sein halbherziger Glaube ist. Der Herr verfährt zunächst auch zweigleisig: a) erst zeigt Er den mutmaßlich regulären Weg des Heils, welcher in der gewissenhaften Befolgung der Gebote liegt und im Bereich des menschlich Machbaren liegt (s. Lk. 18:20); b) doch dann offenbart Er den optionalen Weg der Vollkommenheit, der in der Absage an alles Irdische liegt und zum Ziel hat, die göttliche Gnade zu erlangen (s. 18:22a). Wer einen bleibendem Schatz im Himmel (s. 18:22b) erwerben will, muss schon während seiner Erdzugehörigkeit mit dem Geiste im Himmel sein! Nach dieser dualen Deutung scheint aber der Mindeststandard für die Erlangung des ewigen Lebens schon ausreichend zu sein (vgl. Lev. 18:5; 1 Joh. 3:24; Gal. 3:12b), zumal der Herr selbst nach der eindeutigen Aussage über den Reichtum als Hindernis auf dem Weg ins Reich Gottes (s. Lk. 18:24-25) diese gleich wieder relativiert, indem Er, angesprochen auf die Möglichkeit zur Errettung, erwidert: „Was für Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich“ (18:27). Natürlich kann z.B. eine einfache Frau vom Lande durch ein gottesfürchtiges Leben gerettet werden, auch wenn sie kein engelsgleiches Dasein führt. Gott wird ihre aufrichtige Frömmigkeit und ihre moralische Integrität wohlwollend aufnehmen, vor allem, wenn sie Zeit ihres Lebens ehrfürchtig und gläubig die heiligen Mysterien empfangen hat. Also wird auch so jemand letztlich durch Gnade gerettet, für deren Erlangung er oder sie gleichwohl etwas getan haben muss. Ein Tropfen menschlichen Bemühens ruft den Ozean göttlicher Gnade hervor. Wie die Gnade bei „passiv Glaubenden“ wirken soll, ergibt sich aus dem vorliegenden Textabschnitt jedoch nicht. Sie müssten dann wohl durch eine nicht einvernehmlich verabreichte, vergewaltigende Gnade gerettet werden... Aber meinetwegen, Gottes Wege sind unergründlich... Was aber bezweckt der Herr mit Seiner Klarstellung bezüglich des Reichtums (s. 18:27)? - Folgendes: Reichtum an sich ist keine Sünde. Aber wer mit dem Herzen an irdischen Gütern hängt (s. Ps. 61:11), lässt dort für Gott keinen Platz übrig (s. Mt. 6:19-21; Lk. 12:33-34). Der Frevel des Reichen aus dem bekannten Gleichnis bestand ja nicht in der Menge der Vermögenswerte, sondern darin, dass er sich auf den Reichtum als höchsten Machtfaktor verließ (s. Lk. 12:19; vgl. Spr. 11:28). Das aber ist absolute Torheit vor Gott (s. Ps. 48:7; 51:9; 72:12; Spr. 11:4)! Wer so denkt und handelt, degradiert Gott in seiner Gedankenwelt zur Nebenkategorie und negiert schlichtweg die Tatsache, dass Christus „alle Macht gegeben ist im Himmel und auf der Erde“ (Mt. 28:18). Die Versuchung für einen Reichen ist folglich viel größer als für einen Durchschnittsverdiener. Doch uns allen empfiehlt der Herr (wir haben doch alle mehr als genug zum Leben), sich „Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons“ (Lk. 16:9) zu machen, also nach dem Beispiel begüterter Heiliger (Nikolaos, Philaret, Serafim Vyr.) sich selbst nur als Verwalter der anvertrauten Güter zu sehen, deren wahre Eigentümer die Armen und Bedürftigen sind, die als Gegenleistung für uns eine Wohnstatt im Himmelreich bereithalten. Der Herr erwartet keine allzu große Opferbereitschaft, wenn z.B. spirituell unerfahrene Menschen neu zur Kirche kommen oder wenn Kinder und Jugendliche in der Glaubenslehre unterwiesen werden. Man kann ihnen nicht gleich feste Nahrung statt Milch vorsetzen (s. 1 Petr. 2:2; 1 Kor. 3:2; Hebr. 5:12-14). Letztlich sind wir aber alle zu einem Leben der Gnade nach berufen (s. 1 Petr. 1:13; 2 Petr. 3:18; Röm. 5:2; 2 Kor. 9:14; Gal. 1:6,15; Eph. 2:8; Phil. 1:7; Kol. 3:16; Hebr. 12:15; 13:9 u.v.m.), sollen also Christus Gott in uns wirken lassen (s. Gal. 2:20). Irgendwann ergeht an uns alle der Aufruf: „Wer Mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“ (Mt. 16:24; Mk. 8:34). Oder wie hier: „Verkauf alles, was du hast, verteil das Geld an die Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge Mir nach!“ (Lk. 18:22) – Wir sollen also der Entschlossenheit des Kaufmanns nacheifern, der eine besonders schöne Perle entdeckte und seine gesamte Habe verkaufte, nur um diese zu erwerben (s. Mt. 13:45-46)... – Wie ernst ist es uns mit unserer Treue und Liebe zu unserem Herrn?!!.. Gewiss können wir bislang noch den weniger steilen Weg ins Himmelreich nehmen und gelegentlich für karitative Zwecke spenden sowie Klöster und Kirchen finanziell unterstützen. Einige werden sich aber vielleicht schon jetzt allen Ballastes entledigen und ins Kloster gehen wollen, um dort unbehelligt von irdischen Sorgen Christus nachfolgen und zur Vollkommenheit gelangen zu können. Wir alle sollen jedenfalls ohne Wankelmut bereit sein, uns einen Schatz im Himmel verschaffen zu wollen (s. Lk. 12:33-34; vgl. Mt 6:19-21). Es wäre unendlich schade, wenn Christus in uns dieses Potenzial sieht, uns beruft, wir uns jedoch betrübt von Ihm abwenden (s. Mt. 19:22). Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch