Predigt zum Hochfest des Tempelgangs der Allheiligen Gottesgebärerin (Hebr. 9: 1-7; Lk. 10: 38-42, 11: 27-28) (04.12.2020)

Liebe Brüder und Schwestern, das Hochfest der Einführung der Gottesgebärerin in den Tempel vermittelt indirekt die Aussage darüber, dass der Mensch bzw. die Menschheit berufen ist, zu einer „Wohnstatt“ des Herrn zu werden. Im Kondakion zum Fest singen wir: "Der allreine Tempel des Erlösers, das kostbare Gemach und die Jungfrau, die heilige Schatzkammer der Herrlichkeit Gottes wird heute in das Haus des Herrn eingeführt. Sie führt mit ein die Gnade im göttlichen Geiste; die Engel besingen Sie; Sie selbst ist die himmlische Wohnstatt!" Der Apostel Paulus schreibt unmissverständlich an die Korinther: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“ (1 Kor. 3:16-17). Und weiter: „Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes“ (2 Kor. 6:16). Somit soll jeder Mensch nach Gottes Heilsplan wie die allerheiligste Jungfrau zu einem „kostbaren Gemach“ und zu einer „heiligen Schatzkammer der Herrlichkeit Gottes“ werden. Und wenn die Allerheiligste und Unbefleckte in den Tempel Gottes eingeführt wurde, umso mehr bedürfen wir doch der Heiligung durch die Gnade „im göttlichen Geiste“. Manch einer fragt sich doch: „Ich bete daheim. Was soll ich in der Kirche?“ - Na, beten, was denn sonst?!.. Fragt denn einer, was er in einem Wirtshaus, einem Supermarkt oder einem Kino soll?!.. Klar, zu Hause beten – und nicht nur da – ist eine alltägliche Selbstverständlichkeit für einen Christen (s. 1 Thess. 5:17). Das Gebet ist überhaupt das Grundelement des geistlichen Lebens, ohne das eine lebendige Gemeinschaft mit Gott undenkbar ist. Aber wir alle wissen aus Erfahrung, wie schwer uns das Beten fällt. Für alles haben wir während der 24 Stunden Zeit, Kraft und Muße, wir können völlig unbeschwert den ganzen Tag verbringen, aber wenn wir uns abends für wenige Minuten ins Gebet vertiefen wollen, kommen plötzlich tausend Gedanken an unerledigte Sachen, persönliche Befindlichkeiten, weltbewegende Ereignisse usw. hervor. Oder man stellt beim fünften Gähnanfall binnen zwei Minuten fest, dass man jetzt schon zu müde ist und legt sich schlafen. Doch kurz darauf klingelt das Telefon, die Freundin erzählt von tollen Schnäppchen bei Ebay, und schon surfen wir zwei Stunden im Internet und füllen unseren Warenkorb mit total wichtigen Dingen, ohne die wir niemals auskommen könnten. C´est la vie! Seien wir doch einfach mal ehrlich zu uns selbst! Das Gebet ist eine permanente Herausforderung für die, welche Gottes Frieden suchen. Scheinbar ist es die einfachste Sache der Welt – sein Gebetsbuch öffnen und daraus Gott seine Anliegen vorzutragen. Aber dazu muss man die „Sprache“ Gottes erlernen: Einsicht der eigenen unendlichen Sündhaftigkeit und totalen Unwürdigkeit, tiefe Zerknirschung des Herzens und entschlossene Bußbereitschaft, flehentliche Bitte um Vergebung, dazu Flehen um Heilung, Schutz und Beistand für die todkranke Seele, sprich – die Gnade des Heiligen Geistes. Das ist der Weg, um zur „himmlischen Wohnstatt“ und zum „heiligen Tempel Gottes“ zu werden! Es steht alles schwarz auf weiß im Gebetsbuch oder man kennt diese Gebete längst auswendig, zudem können wir ja auch mit eigenen Worten vor Gott treten – und doch ist es unglaublich schwer, dies im alltäglichen Leben ernsthaft zu vollbringen. Klar, wir beten von selbst in Not und Leid, beten für unsere Liebsten, da ist die Sorge um unser irdisches Wohl Motivation genug. Aber wer betet für ihm nicht wohlgesonnene Menschen (s. Mt. 5:44; Lk. 6:28; Röm. 12:14)?!.. Wir erfahren täglich von schrecklichem Leid in der Welt, aber beten wir jemals für die Opfer von Krieg, Terror, Naturkatastrophen, Unglücken, Ausbeutung, Unterdrückung, Kriminalität, Seuchen, Erkrankungen aller Art und jeder Form von Gewalt?!.. - Wir glauben doch nicht einmal, dass solche Gebete etwas nutzen!.. So weit ist es gekommen! Und wir wollen Christen sein?!.. Woran kranken wir? - Der Wille ist da, es hapert aber an der Umsetzung (s. Röm. 7:18-19). Unser Dilemma: Zerstreuung und Bekümmernis. Die „Sorgen dieser Welt“ (Mt. 13:22; vgl. Mk. 4:19; Lk. 8:14) erlauben es nicht, sich ernsthaft in das Gespräch mit Gott zu vertiefen. Dabei ist das Gebet die wichtigste Sache der Welt (ja, ja, ja!), da seine Wirksamkeit, anders als die Dinge dieser Welt, auf ewig Bestand hat. Deshalb hören wir zu den Festen der Mutter Gottes jedes Mal zu unserer Erbauung den sanften Tadel Marthas und das seligpreisende Lob Mariens aus dem Munde des Herrn (s. Lk. 10:41-42). Betrügen wir uns nicht selbst! Wir brauchen das tägliche Gebet zu Hause, auf dem Weg zur Arbeit, am Arbeitsplatz, beim Kochen, beim Essen, beim Spielen mit den Kindern etc. (s. 1 Kor. 10:31). Aber die Krönung des geistlichen Lebens ist für uns Normalsterbliche das gemeinschaftliche Gebet in der Kirche. Hier vereinen wir all unsere Mühen und Anstrengungen zur Verherrlichung Gottes, hier strömen unsere Fürbitten zusammen und werden zum gemeinschaftlichen Gebet vor Gott gebündelt, so dass wir uns gegenseitig tragen und unterstützen (s. 1 Petr. 2:5; Eph. 4:16). Was für eine Kraft das ist! Und dann erkennen wir, wie wertvoll all diese Menschen in der Kirche – unsere Brüder und Schwestern in Christo – für uns und unser Seelenheil sind. Und diese Gnade ermöglicht es uns gemeinsam kraft des Heiligen Geistes durch den Empfang des Leibes und des Blutes Christi ebenso zum Tempel des lebendigen Gottes zu werden. Und so, liebe Brüder und Schwestern, wollen wir uns auf das Fest der Geburt Christi Christi vorbereiten. Mit der Erscheinung Gottes endete der Alte Bund und begann der Neue. Heute begehen wir das „Vorspiel“ der kommenden Gnade in der Feier der Einführung der Gottesgebärerin in den Tempel Gottes. Amen.
Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch