Predigt zum Hochfest des Einzugs des Herrn in Jerusalem / Palmsonntag (Phil. 4: 4-9; Joh. 12: 1-16) (12.04.2020)

Liebe Brüder und Schwestern,

das, was beim Einzug des Herrn in Jerusalem nach außen hin wie der Triumphzug eines siegreichen Feldherrn aussieht, ist in Wirklichkeit der Beginn des Leidenswegs unseres Herrn, Der „wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt“ (Jes. 53:7) Sein Leben für uns hingibt. Es ist der Wendepunkt der Menschheitsgeschichte: Aus Bethanien kommend, wo Er Lazarus auferweckt hat, reitet der Bezwinger des Todes, der Sohn Gottes, den Ölberg hinab in die heilige Stadt, um „Adam aus der Unterwelt zu befreien!“ (s. Kondakion). Jetzt wird, wie ganz zu Beginn des Erlösungswerks am Ufer des Jordans angekündigt, Gottes Gerechtigkeit zur Gänze erfüllt (s. Mt. 3:15). Diese Gerechtigkeit besteht darin, dass der Unschuldige die Strafe der Schuldigen erleidet: „Zu unserem Heil lag die Strafe auf Ihm, durch Seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes. 53:5). Wer das Unbegreifliche nicht begreifen will, hat noch nicht einmal im Ansatz verstanden, worum es in unserem Glauben geht: „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der erste“ (1 Tim. 1:15). Nur als bekennende Sünder haben wir die Möglichkeit, von Christus Gott gerecht gemacht zu werden! Für diese Einsicht haben wir vierzig Tage gefastet, gebetet und Buße getan. Angesichts dessen kann es doch nicht sein, dass bei uns keine Freude aufkommt - sonst „wäre Christus vergeblich gestorben“ (Gal. 2:21b). Lassen wir uns durch NICHTS von dieser Freude abbringen! „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! (…) Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren“ (Phil. 4:4-7). Diese Worte sind immer aktuell.

Die vierzigtägige Vorbereitungszeit diente insbesondere zur Erlangung dieses Friedens mit Gott! Er wird uns zugänglich in der Kirche, die der Heiland in Seinem göttlichen Leib und Blut gegründet hat. Und bevor Er Sich zur Erlösung der Welt dem Leidensweg bis hin zum Tode hingab, tröstete der Heiland Seine Jünger in der letzten gemeinsamen Stunde mit den Worten des Friedens: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit Ihr in Mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh. 16:33).

Bewahren wir diesen Frieden! Viele von uns verbringen aus aktuellem Anlass jetzt vielleicht mehr Zeit zu Hause. Wollen wir diesen Zugewinn an Zeit für das Gebet nutzen. Es geht dabei nicht so sehr um übermäßig viele zusätzliche Gebete als Ergänzung zur täglichen Gebetsregel, sondern darum, die uns wohlbekannten Gebete am Morgen und am Abend nicht zerstreut und in dämonischer Eile daher zu plappern, sondern aufmerksam, demütig, bußfertig, voller Inbrunst und Ehrfurcht sowie im vollen Bewusstsein der unsichtbaren Anwesenheit Gottes vorzutragen. Was für eine Zuversicht und Geborgenheit wir dann aus diesen Gebeten erlangen! Und wie leicht es uns fallen wird, die Sorgen des Alltags zwar nicht zu ignorieren, aber doch alles in vollem Vertrauen auf Gottes Güte in Seine Hand zu legen – und danach selbst voller Hingabe den Herrn für alle Bedrängten anzuflehen! Schon allein in den Worten unseres wichtigsten Gebets, das wir schon tausende von Malen seit unserer Kindheit unachtsam aufgesagt haben, werden wir plötzlich einen ganz neuen Sinn erkennen. Wer hat sich denn von uns Wohlstandsmenschen jemals ernsthaft Sorgen um das tägliche Brot oder die Vergebung unser Schuld gemacht? - Vor wenigen Wochen konnten wir noch nahezu nach Belieben oft beichten und das „Brot des Lebens“ (s. Joh. 6:35,48) empfangen, doch jetzt scheint diese vermeintlich immerwährende Selbstverständlichkeit nicht mehr gewährleistet. Viele werden kleingläubig, neigen zu Überreaktionen angesichts leerer Supermarktregale und verlängerter behördlicher Vorsorgemaßnahmen, sehen schon die Endzeit kommen. „Warum achtet ihr so ängstlich auf Tage, Monate, bestimmte Zeiten und Jahre? Ich fürchte, ich habe mich vergeblich um euch bemüht“ (Gal. 4:20), würde uns der Apostel Paulus wohl sagen. Doch im intensivierten Gebet werden wir erkennen, dass ein Leben ohne Hinwendung zu Gott kein Leben ist. Hören wir also auf, ständig neue Schreckensbotschaften auf WhatsApp aufzusaugen und uns wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen zu verhalten (vgl. Mt. 24:6; Mk. 13:7; Lk. 21:9). Haben wir denn keinen Glauben?! Nein?.. Dann sind wir auch nicht besser als die Volksmenge in Jerusalem, die bei eitlem Sonnenschein „Hosanna!“ ruft, in Zeiten der Anfechtung aber den Herrn ans Kreuz schlagen lässt bzw. die von Ihm eingesetzte Kirche verrät.

Heute geistern durch feingeschliffene kirchliche Etikette arglistig kaschierte und mit leicht verfänglicher kirchlicher Rhetorik gewürzte Verschwörungstheorien durchs Internet, die (anonym, versteht sich!) eher einfach gestrickte Geistliche und Laien jetzt zum „Bekennertum“ aufrufen, d.h. zum zivilen Ungehorsam gegenüber den staatlichen Funktionsträgern und zur offenen Meuterei gegen die kirchliche Obrigkeit. Wir sollen also die Welt vor dem Untergang bewahren, und sie bleiben weiter im Verborgenen!.. Und das alles in der heiligsten Zeit des Jahres, in der wir uns verstärkt um die Reinigung unserer Seelen kümmern sollen!.. Der Satan selbst hätte diese Botschaften (in seinem Sinne) nicht besser verfassen können! Denn auch die Feinde Christi beriefen sich ja auf die Regeln der Frömmigkeit, um Ihn vor dem Volk zu diskreditieren. Doch sind wir nun im Tod und der Auferstehung mit Christus vereint. Deshalb: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat Seinen Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben – wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken?“ (Röm. 8:32). Gott wird uns alles geben, wenn wir nur treu bleiben. Amen.

Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch