Predigt zum 25. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 4:1-6; Lk. 13:10-17) (08.12.2019)

Liebe Brüder und Schwestern,

der hl. Apostel Paulus schrieb an die Epheser: „Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedlich und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, Der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph. 4:1-6). Das war vor zweitausend Jahren. Und heute? Was würde er gewissen Oberhäuptern der autokephalen Kirchen ins Stammbuch schreiben, die gerade dabei sind, durch Wortbruch, Verrat, Feigheit, politische Räson, nationalistische Ressentiments und Geltungsdrang die kirchliche Einheit zu zerstören?!.. 

Der Apostel Paulus war nicht nur dem Namen nach ein wahrer Nachfolger Christi – er wurde selbst auch verfolgt, verschmäht, verunglimpft, verraten, verspottet, misshandelt, zu unrecht verurteilt, saß um des Herrn willen im Gefängnis und erlitt den Tod für die Wahrheit. Einen solchen „zweiten Paulus“ gibt es heute wieder in Person Seiner Seligkeit Onufrij, des Metropoliten von Kiew und der ganzen Ukraine, des Oberhaupts der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Mit ihm gibt es Millionen Geistliche und Laien, unzählige Bekenner, die das Los ihres Oberhirten teilen, und nicht der Verlockung verfallen sind, zu der von der Staatsmacht  aufgebauten Pseudo-Kirche überzulaufen. Etliche, die den Drohungen und Anfeindungen nicht widerstanden, verleugneten aber ihren von Gott eingesetzten obersten Hierarchen und liefen zu den Schismatikern über. Diese sind inzwischen von einer Reihe Kirchenoberhäupter „offiziell anerkannt“ worden. Die seit der Taufe der Kiewer Rus´ vor über tausend Jahren auf diesem kanonischen Territorium dienende leidgeprüfte Kirche wurde als „unkanonisch“ erklärt, während die schismatische Gruppierung ohne einen Akt der Buße ihrerseits kurzerhand als „kanonisch“ erklärt wurde. Ränkespiele in der Kirche sind nicht neu. Vor tausend Jahren war es der Ranghöchste, der Primus inter pares, der in dogmatischen, kanonischen und kirchenpolitischen Belangen den universellen Primat für sich beanspruchte, nachdem er die politische Unterstützung der abendländischen Machtzentrale hinter sich wusste (und die er später ebenfalls unter seine absolute Kontrolle brachte). Auch der Patriarch von Konstantinopel, der sich heute hinter hohen Mauern im Istanbuler Stadtteil Fener versteckt, weiß offensichtlich bedeutende Mächte auf beiden Seiten des Atlantiks hinter sich. Er will „Papst des Ostens“ sein. Die Kirche von Griechenland ist historisch, ethnisch und kulturell eng mit ihm verbunden, dazu teilweise kanonisch abhängig von Konstantinopel (Nordgriechenland steht unter der Jurisdiktion des Patriarchen). Der Umstand, dass zu allem Überfluss der griechische Staat bei den internationalen Geldgebern hochverschuldet ist, wird den Druck auf die dortige Kirche nicht gemindert haben. In dieser Gemengelage wird sich auch die Kirche von Zypern wohl niemals gegen die Kirche Griechenlands stellen. Das orthodoxe Patriarchat von Alexandria stand während der ersten vier Ökumenischen Konzile stets in Gegnerschaft zum Patriarchen der Kaiserstadt, war damals aber koptisch (=ägyptisch). Heute ist es griechisch. Der jetzige Patriarch Theodoros, der selbst ein Jahrzehnt in der Ukraine gelebt hat und folglich über die dortigen Verhältnisse im Bilde ist, erkannte bis vor kurzem einzig Metropolit Onufrij als kanonisches Oberhaupt in der Ukraine an. Nun ist er ebenfalls umgeschwenkt. Bulgarien und Rumänien sind Mitglieder von NATO und EU. Wie werden sich ihre obersten Kirchenleitungen verhalten? Ich ahne es schon... Georgien und Russland verbindet eine lange gemeinsame Geschichte miteinander, doch politisch sind sie verfeindet und die Staatsführung sucht den Anschluss an die „freie“ (haha!) Welt. Den Preis dafür (Regenbogen-Paraden, „Ehe für alle“ u.v.m.) wird man dafür entrichten müssen. Die Albanische Kirche verdankt ihren Neuaufbau zurecht dem Patriarchat Konstantinopel, also auch ein klarer Fall. Der Patriarch der Antiochenischen Kirche hingegen hat seinen Sitz in Damaskus, der Hauptstadt Syriens. Für die Christen in diesem Land ist das von Russland gestützte wiedererstarkte Regime so etwas wie die einzige Lebensversicherung, zudem spricht man dort im Gottesdienst jetzt mehr Arabisch als Griechisch. Serbien war schon immer mit Russland verbunden, außerdem haben die Serben ihre eigenen Schismatiker im benachbarten Nordmazedonien. Die in ihren Heimatländern zahlenmäßig weniger bedeutenden  Kirchen Polens bzw. der Tschechischen Länder und der Slowakei stehen kulturell und emotional ebenfalls Russland nahe. Wie bedeutend aber wird der Faktor EU und NATO sein, wie groß wird der Druck seitens der eigenen Regierungen (vor allem in Polen) sein? Die Orthodoxe Kirche von Amerika steht traditionell der Russischen Kirche (!) nahe, von der sie vor 50 Jahren die Autokephalie verliehen bekommen hat, wird aber von Konstantinopel nicht anerkannt. Ein Fragezeichen steht hinter dem Patriarchat Jerusalem, dessen Kirchenleitung griechisch ist, das sich aber Konstantinopel gegenüber gerne selbstbewusst als eigenständig behaupten möchte. Aber wozu erzähle ich das alles überhaupt?!.. Welche Rolle spielt da die Nationalität? Sind wir nicht alle Brüder und Schwestern in Christo? Und wie kann es überhaupt sein, dass eine Entscheidung von solch enormer Tragweite für die Einheit der Kirche in diesen für die Gesamtorthodoxie schicksalhaften Zeiten nicht nach kanonischen Kriterien, sondern gemäß der politischen Konjunktur entschieden wird?! - Stehen Kirchenoberhäupter, die aus solch niederen Motiven die Einheit der Kirche zerstören denn jetzt nicht wie geistige Erben der Verräter-Bischöfe da, die seinerzeit unter politischem Druck und wohl aus persönlicher Vorteilsnahme die Union von Lyon, die Union von Florenz und die Union von Brest unterschrieben haben und sich vermeintliche irdische Sicherheit auf Kosten des Seelenheils erkauft haben?! Glauben sie etwa, der Kirche damit dienen zu wollen?! Täuscht euch nicht, die ihr eure Hoffnung auf die Mächte dieser Welt setzt, und nicht auf Gott: „An der Stärke des Rosses freut Er sich nicht, und an den Beinen des Mannes hat er kein Wohlgefallen. Wohlgefallen hat der Herr an denen, die Ihn fürchten, und an denen, die da hoffen auf Sein Erbarmen“ (Ps. 146:11;  vgl. 145:3). Die damals mit Rom eingegangene Union hat Konstantinopel jedenfalls nicht vor den Türken gerettet, und glücklich ist nie ein Verräter geworden. Weder Judas, noch der Ratsherr von Amorrhea, der den Muslimen die Tore der Stadt geöffnet hatte, weil ihm der Sultan eine hohe Stellung bei Hof versprochen hatte. Überflüssig zu sagen, was dann mit dem Verräter passiert ist… Wer selbst wortbrüchig wird, kann nicht verlangen, dass man ihm gegenüber gemachte Zusagen einhält. Er hätte wissen müssen, mit wem er sich auf diese schändliche Absprache einlässt. 

Unter osmanischer Herrschaft intrigierten dann viele machthungrige Bischöfe gegen den jeweiligen Patriarchen von Konstantinopel, zahlten viel Geld an den Sultan, um nach Beseitigung des gegenwärtigen Amtsinhabers selbst auf den Thron des Patriarchen gehievt zu werden, - bis dann nach wenigen Monaten der nächste Intrigant genug Geld beisammen hatte, um den Sultan von der Notwendigkeit eines erneuten Personalwechsels zu überzeugen… 

So wird es auch der Schlangenbrut ergehen, die den Leib Christi zergliedern will! Der Türkendolch ist ein Klacks im Vergleich zu dem, was solche niederträchtigen Kreaturen erwartet. Sie dienen Mächten, die durch Propagierung ihrer „Werte“ nach dem Zerfall der Sowjetunion die Völker gegeneinander ausgespielt und Jugoslawien in blutige Kriege gestürzt haben, während sie sich selbst beim Ausscheiden eines Landes aus ihrem eigenem Staatenbund Jahre Zeit lassen, um die möglichen Folgen eines „ungeordneten“ Austritts abzufedern. Diese Mächte stürzen jetzt die arabischen und lateinamerikanischen Länder ins Chaos, sorgen mit ihrer „Entwicklungshilfe“ (haha!) für unendliches Leid in der Dritten Welt und sind für nicht enden wollende Ströme von verzweifelten Migranten verantwortlich. Wer sich nicht fügt, wird mit Embargos oder Bomben zur „Freiheit“ gezwungen. Es sind Mächte, die für das Böse in der Welt stehen! Deshalb: „Beugt euch nicht mit Ungläubigen unter das gleiche Joch! Was haben denn Gerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis gemeinsam? Was für ein Einklang herrscht zwischen Christus und Beliar? Was hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen gemeinsam?“ (2 Kor. 6:14-15).   

Letztlich ist es aber der Heilige Geist, Der notfalls auch ohne diese Individuen die Kirche regiert. Wenn es Gottes Wille ist, dass nicht korrupte Geistliche und Christus liebende Laien in der Ukraine für den orthodoxen Glauben leiden müssen, dann ist es so. Vater Vassili aus Vinnitsa, zum Beispiel, dem sie ein Stück seines Rauschebartes mitsamt einem Hautfetzen herausgerissen haben. Er hat etwas, dessen er sich rühmen kann – sie nicht! Doch die Mächte der Finsternis werden die Kirche niemals überwinden (s. Mt. 16:18). Im Heiligen Land existieren die Klöster immer noch, deren Bewohner seinerzeit von Banditen, Persern, Arabern, Kreuzfahrern oder Türken umgebracht worden sind; die Klöster, die aus Angst vor den Mördern fluchtartig verlassen worden sind, existieren dagegen nicht mehr. Heute stellt man aus zwielichtigen Gründen die groteske und dazu schon jetzt bröckelnde Einheit zwischen uneinsichtigen Schismatikern in der Ukraine her – und spaltet im Auftrag der Mächtigen dieser Welt die orthodoxe Christenheit weltweit in zwei Lager! Ein lokales Schisma auf Kosten eines globalen Schismas überwinden!.. Das ist so, als ob ein Erzieher die braven Kinder bestraft und die unartigen belohnt! Ist das neuerdings Liebe?!.. Mag sein, dass auch das Moskauer Patriarchat manchmal diplomatisches Feingefühl vermissen lässt, okay. Aber hier geht es um die Sache. Die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats verfügt über mehr als 200 Klöster, hat über 12.000 Kirchengemeinden (mehr als doppelt soviel wie die Schismatiker zusammen). Metropolit Onufrij spricht in seinen Predigten, Statements und Interviews nur von der Liebe Christi, während sein Widersacher, der 1992 laiisierte, aus dem Mönchsstand entlassene und aus der Kirche ausgestoßene Pseudo-Patriarch Michail Denisenko nur davon spricht, dass die Ukraine niemals zu Russland gehört habe. Hier Liebe und Versöhnungsbereitschaft, da Erhitzung der nationalen Gemüter mittels Instrumentalisierung des Glaubens. In westeuropäischen Ländern sähe man da schon längs den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, nicht aber in der demokratisch-fremdgesteuerten Ukraine. Der ehemalige Metropolit von Kiew Philaret (M. Denisenko), ein williger und allseits bekannter Handlager der Staatsmacht zu Sowjetzeiten, dessen Einsetzung damals nicht verhindert werden konnte, dachte nach dem Tode von Patriarch Pimen (1990), dass er nun an der Reihe sei. Doch er bedachte nicht, dass sich die Zeiten inzwischen geändert hatten. Das erste freie Konzil seit 1917-18 wählte Metropolit Aleksij zum Patriarchen. Nach seiner Wahl nahm Aleksij II den Metropoliten von Kiew brüderlich zur Seite und legte ihm nahe, in aller Stille unter Beibehaltung der persönlichen Bischofswürde von allen Ämtern zurückzutreten. Dieser gab vor dem versammelten Konzil sein Ehrenwort (es existiert eine Tonbandaufnahme davon), dies umgehend nach seiner Rückkehr nach Kiew zu tun. Doch kaum in Kiew gelandet, stellten ihm dort die neuen Machthaber in Aussicht, „Patriarch“ der schismatischen „Kirche der Ukraine“ zu werden. Er, der selbst noch wenige Jahre zuvor dieses Gebilde als Nicht-Kirche bezeichnet hatte, wurde nun ihr Oberhaupt! Und diese Organisation ist nun von Konstantinopel offiziell anerkannt worden und soll zusammen mit der zuvor aus der nordamerikanischen Diaspora heimgekehrten (ebenso schismatischen) „Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche“ die „kanonische Kirche“ im Lande sein!!! Gewiss, unter den gegebenen politischen Umständen besagen „offizielle“ Statistiken, dass sich knapp 60% der Ukrainer zu den Schismatikern und nur etwa 26% zur kanonischen Orthodoxie bekennen. Hat sich Konstantinopel von diesen dubiosen und kaum verifizierbaren Zahlen blenden lassen? Wie dem auch sei, das Kirchenvolk (die üblichen 20% praktizierender Christen) hält jedenfalls der kanonischen Orthodoxie die Treue. Nominelle Christen, die sich nach der jeweiligen politischen Stimmung ausrichten, sind da eine zu vernachlässigende Größe, selbst wenn sie 80% der Gesamtbevölkerung ausmachen.       

Gewiss ist die Liebe gegenüber Sündern oberstes Gebot in der Kirche; so gab der himmlische Vater dem verlorenen Sohn sogar das, was er seinem ununterbrochen treu gebliebenen Sohn immer verwehrt hatte (s. Lk. 15:29), doch das geschah, nachdem der untreu gewesene Sohn seine Verfehlungen eingesehen (s. 15:18-19) bzw. eingestanden (s. 15:21) hatte und demütig in das Haus seines liebenden Vaters zurückgekehrt war!..   

Divide et impera! Das ist doch genau das, was die geheimen oder nicht ganz so geheimen Auftraggeber und Hintermänner wollen. Dieselben Mächte waren es, die im 19. Jahrhundert mit aller Macht verhinderten, dass Konstantinopel von der osmanischen Knechtschaft befreit wurde. Das Russische Reich trat damals für die Befreiung aller unterjochten orthodoxen Christen ein – und ging letztlich auch daran zugrunde, - und diese gewissenlosen Ränkeschmiede nutzen jetzt die prekäre Lage der ukrainischen Kirche für ihre hinterhältigen Machenschaften aus, nur weil der Erste unter Gleichen „Primus sine pares“ sein will!.. Wie abscheulich das ist! Da wird ein Dokument aus dem Jahre 1688 hervorgeholt, das belegen soll, dass die „Ukraine“ (damals die Metropolie von Kiew) nach der Wiedereingliederung ins Russische Reich im kirchlichen Sinne Konstantinopel untersteht, ein Papier, das in den vergangenen 300 Jahren überhaupt keine Anwendung gefunden hat und das sich auf ein um ein Vielfaches kleineres Territorium bezieht, das mit der heutigen Ukraine nur wenig gemein hat. Aber was kümmert das die, die ihre politischen Ziele mit aller Macht und um jeden Preis durchsetzen wollen? So ähnelt die Polemik des Patriarchats Konstantinopel auffällig der Argumentation westlicher Politiker, die in Bezug auf Russland permanent mit zweierlei Maß messen und für die konsequente Orthodoxie ein Schreckgespenst ist. Geschichte wiederholt sich immer wieder.

Schon vor hundert Jahren, als die Russische Kirche unter der Gewalt der atheistischen Machthaber ihr Martyrium erlitt, ergriff Patriarch Meletios von Konstantinopel die Gelegenheit, um sich durch neo-papalistische Winkelzüge die Vorherrschaft in der Weltorthodoxie zu sichern und machte auch damals vor dem kanonischen Territorium des Moskauer Patriarchats nicht Halt. Seinerzeit wurde der hl. Patriarch Tichon „für abgesetzt erklärt“ und an seiner Statt die „Lebendige Kirche“ - ein Konstrukt der Kommunisten, das die Schwächung oder gar Ablösung der wahren Kirche zum Ziel hatte, als „kanonische Kirche“ anerkannt. Und heute wird Metropolit Onufrij der Dolchstoß in den Rücken versetzt. Es wird ihm jedoch zur Ehre gereichen, denn womöglich wird er dank solcher in seiner Person gegen die Kirche gerichteten Schandtaten ebenso irgendwann heiliggesprochen werden. Noch steht er aber da als Fels in der Brandung. Er predigt weiter die Liebe Christi, während seine Widersacher nur nationalistische Hetze betreiben. Hat die Kirche nicht den Ethnophyletismus, also das Stellen nationaler Belange über kirchliche, als Häresie verurteilt?..  Das Konzil von Konstantinopel 1872 verkündete nämlich: „Wir weisen zurück, verurteilen und verdammen den Phyletismus, das heißt die Unterscheidung nach Rassen, den ethnischen Streit, die Zwietracht und die Trennungen der Kirche Christi als einen Widerspruch zur Lehre des Evangeliums und zu den heiligen Kanones unserer gottseligen Väter, die die heilige Kirche stützen, die ganze Christenheit ordnen und sie zur Gottesverehrung anleiten“. Dabei hatte das Moskauer Patriarchat nach dem Zerfall der Sowjetunion den neuen politischen Gegebenheiten Rechnung getragen und der Metropolie Kiew den Status der autonomen Ukrainischen Orthodoxen Kirche verliehen, die in ihrer pastoralen, jurisdiktionellen und wirtschaftlichen Tätigkeit von Moskau vollkommen unabhängig ist, die aber ein gemeinsames kanonisches Territorium unter dem Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus´ hat. So sitzen ständige und nicht ständige Vertreter der Ukrainischen Kirche im Moskauer Synod, nehmen alle Bischöfe der Ukrainischen Kirche an den Konzilen in Moskau teil, während kein in Russland ansässiger Bischof im Kiewer Synod einen Sitz hat und kein Bischof aus Russland am Bischofskonzil der Ukrainischen Kirche teilnimmt.  Welch ein Unterschied das ist zur „Unabhängigkeit“ der Schismatiker von Teufels Gnaden!        

Wie kann das nationalistische Krebsgeschwür nur die internen Angelegenheiten der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche befallen? Warum haben die, welche dem neugewählten Metropoliten damals zur Amtseinführung als dem einzigen kanonischen Oberhaupt der Ukrainischen Kirche gratulierten, ihn jetzt hintergangen und wie eine heiße Kartoffel fallengelassen?! Was hat er ihnen denn getan? Was haben ihnen die Geistlichen und Laien getan, die ihm und dem Patriarchen der ganzen Rus´ trotz staatlicher Willkür die Treue halten? Haben sie, da sie für die kanonische Orthodoxie und den Zusammenhalt der Gläubigen unter politischen Repressionen und behördlicher Diskriminierung leiden, dazu stets größtem psychischen und physischen Druck durch den nationalistischen Pöbel ausgesetzt sind, nicht vielmehr die uneingeschränkte Solidarität aller orthodoxen Brüder und Schwestern weltweit verdient?! - „Belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um Ihn zu erkennen. Wo das geschieht, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen. Ihr seid von Gott geliebt, seid Seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi, dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar. Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade. Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch Ihn dankt Gott, dem Vater!“ (Kol. 3:9-17). Müsste einigen hohen Würdenträgern da nicht die Schamröte ins Gesicht steigen?! 

Warum kann das, was z.B. bei uns in Weimar im Kleinen funktioniert, nicht auch im Großen gelingen? Bei uns spielt es überhaupt keine Rolle, ob einer Russe, Deutscher, Georgier, Grieche, Serbe oder Bulgare, Afrikaner oder Jude ist – wir sind Brüder und Schwestern in Christo! Wenn es sogar für mich (einen einfachen Priester aus der thüringischen Provinz) bei allen meinen sonstigen Unzulänglichkeiten überhaupt keine Unterscheidung nach ethnischen Kriterien geben kann, wieso geschieht so etwas auf der allerhöchsten Ebene der Kirchenleitung? Zickenalarm ist auch uns nicht fremd, aber das geschieht bei uns nicht auf Grundlage der ethnischen Herkunft. Wir haben immer wieder studentische Gemeindeglieder aus allen Teilen der Welt; jeder, der es will, kann sich bei uns trotz Sprachbarriere wie zu Hause fühlen. Dazu muss man doch nur die Sprache des Herzens verstehen. So wie unter Pilgern im Heiligen Land, auf dem Heiligen Berg Athos und anderswo. Wir sind doch in Christus vereint! Und da, wo Christus mitten unter uns ist (s. Mt. 18:20) kann es gewiss Meinungsverschiedenheiten (s. 1 Kor. 11:19) geben, aber niemals Hass und Ausgrenzung. Aber wem sage ich das?! - Während der (von Patriarchen wie von Priestern und Diakonen) gemeinsam gefeierten Liturgie rufen wir uns vor dem Altar des Herrn zu: „Christus ist unter uns!“ Die Antwort: „Er ist es und wird es sein!“ - Also nur eine fromme Floskel?.. Beim Abendmahl des Herrn?!.. 

Die Kirche Christi lässt sich nicht spalten. Auch Judas Iskariot, der am Mystischen Abendmahl des Herrn teilnahm, vermochte die Einheit der Kirche nicht zerstören. Über ihn sagt der Herr: „Der Menschensohn muss zwar Seinen Weg gehen, wie die Schrift über Ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre“ (Mt. 26:24). Solch ein Los kann man doch keinem wünschen!

Noch Mal die Worte des Apostels: „Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedlich und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält!“ Das, was uns alle zusammenhält darf nicht durch Niedertracht und Ränke zerstört werden. Es ist doch „ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“. 

Wer diese Worte des Apostels verschmäht, der spuckt dem unter der Last des Kreuzes zusammenbrechenden Christus noch ins Antlitz. Er schadet letztlich nur sich selbst. Ist es denn wirklich schon so weit, wonach „die Missachtung von Gottes Gesetz überhandnimmt und die Liebe bei vielen erkalten“ wird (Mt. 24:12)? Oder ist mein Pessimismus unbegründet? „Amen. Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!“ (Offb. 22:20-21).

Jahr:
2019
Orignalsprache:
Deutsch