Predigt zum Fest der Synaxe des hl. Erzengels Michael und aller himmlischen körperlosen Mächte (Hebr. 2: 2-10; Lk. 10: 16-21) (21.11.2019)

Liebe Brüder und Schwestern, 

am heutigen Tag wollen wir uns mit den himmlischen Wesen auseinandersetzen. Über ihre Schöpfung gibt es in der Heiligen Schrift nur eine sehr vage Andeutung. Gott spricht zu Hiob: „Wo warst du, als Ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt. Wer setzte ihre Maße? Du weißt es ja. Wer hat die Messschnur über ihr gespannt? Wohin sind ihre Pfeiler eingesenkt? Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als alle Morgensterne jauchzten, als jubelten alle Gottessöhne?“ (Hiob 38:4-7). Unter den „Gottessöhnen“ müssen wir hier die Himmelswesen verstehen (vgl. Hiob 1:6; 2:1). Frei übersetzt aus der russischen Bibel lautet der letzte Satz so: „Als die Sterne erschaffen worden waren, da priesen Mich die Engel mit lauter Stimme“. Also müssen die Engel vor dem vierten Tag erschaffen worden sein (s. Gen. 1:14-19). Die heiligen Väter interpretieren den Anfang des Schöpfungsberichts Gen. 1:1 („Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“) einhellig dahingehend, dass mit dem „Himmel“ die unsichtbare (geistliche) Welt, und mit der „Erde“ die sichtbare (materielle) Welt gemeint ist. Da alles, was Gott gemacht hatte, „sehr gut“ war (Gen. 1:31), müssen auch die Engel von Beginn an voll Liebe zu ihrem Schöpfer gewesen sein. Da es in der Liebe aber keine Furcht gibt (s. 1 Joh. 4:18), war diese Liebe selbstverständlich auf dem freien Willen gegründet, den schließlich der oberste Engel für seine Zwecke missbraucht hatte, indem er eine große Schar der Engel gegen Gott aufwiegelte. Auf der Erde wiederholt sich diese Geschichte jedes Mal in Revolten gegen die von Gott eingesetzte kirchliche oder weltliche Ordnung. Damals, als nach Meinung der heiligen Väter etwa ein Drittel der Engel im Gefolge Satanaels oder Luzifers (des „Lichtträgers“) gegen Gott aufbegehrte, erhob sich der Anführer der Gott gegenüber getreuen Heerscharen und sprach: „Wer ist wie Gott?“ (hebr. Mi cha El?). Wir haben Kenntnis vom weiteren Verlauf aus der Heiligen Schrift: „Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten, und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt, und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen“ (Offb. 12:7-9). In der Heiligen Schrift gibt es neben dem Bericht über den Widerstreit der lichten Engel gegen die Kräfte der Finsternis auch Andeutungen über den „Stellvertreterkrieg“ der jeweiligen Gefolgsleute auf Erden, so dass z.T. sogar die Grenzen zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt verwischt werden: „Die Engel, die ihren hohen Rang missachtet und ihren Wohnsitz verlassen haben, hat Er (Gott) mit ewigen Fesseln in der Finsternis eingeschlossen, um sie am großen Tag zu richten. Auch Sodom und Gomorrha und ihre Nachbarstädte sind ein Beispiel: In ähnlicher Weise wie jene trieben sie Unzucht und wollten mit Wesen anderer Art verkehren; daher werden sie mit ewigem Feuer bestraft. Genauso beflecken sich auch diese Träumer (die Irrlehrer), sie missachten die Macht des Herrn und lästern die überirdischen Mächte. Als der Erzengel Michael mit dem Teufel rechtete und über den Leichnam Mose stritt, wagte er nicht, den Teufel zu lästern und zu verurteilen, sondern sagte: ´Der Herr weise dich in die Schranken`. Diese jedoch lästern über alles, was sie nicht kennen: was sie aber wie die unvernünftigen Tiere von Natur aus verstehen, daran gehen sie zugrunde“ (Jud. 6-10; vgl. dazu Gen. 6:1-4). So viel über die, welche keiner göttlichen Offenbarung, sondern natürlichen Instinkten folgen. Himmlischer Beistand ist dagegen dem wahren Gottesdienst gewiss (s. Sach. 3:2). 

Der Streitkampf im Himmel setzt sich auf Erden fort, wo der Teufel nun sein Unwesen treibt. Er ist seitdem der „Herrscher dieser Welt“ (Joh. 12:31; 14:30; 16:11). Demnach bilden wir, die Kinder Gottes, die „Opposition“ hienieden. Der Herr hat zwar für uns durch Sein Blut den Sieg errungen, aber wir müssen uns während der uns gegebenen Lebenszeit auf die richtige Seite schlagen. Dann werden wir in der Gnade Gottes im Gefolge der himmlischen Heerscharen, mit denen wir in der Göttlichen Liturgie unsichtbar dienen, dauerhaft und endgültig siegreich sein: „Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht Seines Gesalbten; denn gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte. Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und Zeugnis; sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod. Darum jubelt, ihr Himmel und alle, die darin wohnen. Weh aber euch, Land und Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinab gekommen; seine Wut ist groß, weil er weiß, dass ihm nur noch eine kurze Frist bleibt“ (Offb. 12:10-12).           

Unser Bündnis mit den himmlischen Heerscharen manifestiert sich im Mysterium der heiligen Taufe, da in ihr jedem von uns ein lichter Engel beigestellt wird. Doch vor allem in der Göttlichen Liturgie erleben wir nach den Worten des hl. Johannes von Kronstadt (+ 1908) die Vereinigung von Himmel und Erde. Welch ein Glück das doch ist, daran als vollwertiger Akteur bis zum Lebensende teilnehmen zu dürfen! – ein Glück, das wir durch übermäßige Verstrickung in irdische Dinge nicht fahrlässig aufs Spiel setzen dürfen, da hier der Teufel seinen „Heimvorteil“ nutzen kann. In der Kirche aber sind wir im Vorteil, weil wir hier den unsichtbaren Beistand der himmlischen Heerscharen und ihres glorreichen Anführers haben, der bis zum Anbruch des abendlosen Tages (s. Offb. 21:23-25) im Königtum Gottes Bestand haben wird. Amen.   

Jahr:
2019
Orignalsprache:
Deutsch