Predigt zum Hochfest der Hypapante des Herrn (Hebr. 7:7-17; Lk. 2:22-40) (15.02.2019)

Liebe Brüder und Schwestern,

als ich noch Theologie-Student war, erfuhr ich von der internationalen orthodoxen Jugendorganisation „Syndesmos“, die das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel als „Tag der orthodoxen Jugend“ gewissermaßen für sich reklamiert hatte. Jetzt, nach über zwei Jahrzehnten im Kirchendienst, kann ich in der Rückbetrachtung meiner Studienzeit sagen, dass man dieses wunderbare Fest inoffiziell auch als „Festtag der orthodoxen Senioren“ bezeichnen könnte.

Klar, unser Herr Jesus Christus ist jedesmal Hauptdarsteller orthodoxer Feste, selbst dann, wenn Er in menschlicher Gestalt im historischen Aspekt gar nicht anwesend ist. Er ist ja z.B. schon bei der Geburt der Theotokos oder Ihrer Einführung in den Tempel „anwesend“, weil diese Feste ihre ganze spirituelle Ausstrahlung aus der Tatsache schöpfen, dass hier die zukünftige Mutter des Messias in Erscheinung tritt. Die Ankunft Christi in dieser Welt wirft in der Geburt, im Tempelgang sowie in der Verkündigung der Theotokos sozusagen ihren Schatten voraus. Sie, die Menschwerdung Gottes, strahlt auch auf die nachfolgenden Feste, wie das Entschlafen der Theotokos oder die heutige Begegnung im Tempel, aus. Unser Herr Jesus Christus ist auch bei den Festen zu Ehren des Vorläufers und Täufers Johannes und bei allen Gedenktagen von Heiligen die eigentliche „Hauptperson“, weil Er es ist, der von Anfang an alles bewirkt und am Ende in allem wirkt. Heilige sind durch Leben und Tod (s. Hebr. 13:7) vor allem Zeugen Christi! Gott geruhte demnach, von uns Menschen bezeugt zu werden. Und so besteht quasi unser aller Aufgabe darin, durch ein Leben in Christo und „ein christliches Ende unseres Lebens“ (Bitt-Ektenie) Zeugnis von Jesus Christus als unserem Erlöser abzulegen.

Im Alten Bund galt für die Wahrheitsfindung in allen Dingen: „Erst auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen darf eine Sache recht bekommen“ (Dtn. 19:15). Diese Norm kommt auch im Neuen Bund zur Anwendung (s. Mt. 18:16). Nicht von ungefähr traten bei der Darstellung des Herrn, als es darum ging, „zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war“ (Lk. 2:27, vgl. 6:22-24,39), zwei Zeugen auf, deren Glaubwürdigkeit der Evangelist Lukas mit den folgenden Worten manifestiert: „In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe“ (Lk. 2:25-26) und: „Damals lebte auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuёls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk. 2:36-38). Hier bürgt der Heilige Geist für die Glaubhaftigkeit dieser beiden Zeugen!. Bedenken wir, dass der Evangelist Lukas sein Evangelium zu einer Zeit verfasste, als das ehrende Gedächtnis beider Zeitzeugen im Volk noch lebendig war. Denn wäre die „Tochter Penuёls, aus dem Stamm Ascher“ eine fiktive Person gewesen, hätten ihn seine Zeitgenossen schon damals Lügen gestraft. Erinnern wir uns an die ersten Worte des Lukas-Evangeliums: „Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das zu verfassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferungen derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest“ (Lk. 1:1-4).

Wir haben hier zwei hochbetagte Zeugen, - mit dem heiligen Joseph, dem Hüter der Jungfräulichkeit der Gottesgebärerin, sind es sogar drei, - die sich für die Wahrheit des Geschilderten verbürgen. Alte Menschen haben ihr Leben hinter sich, sie streben nicht mehr nach Ruhm und Anerkennung, sie sind nicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht, und sind deshalb umso glaubhafter für uns!  Deshalb wiederholt sich heute das Zeugnis von der „Zuverlässigkeit der Lehre“, in der wir unterwiesen wurden, auf ähnliche Weise durch die zahlreichen alten Menschen, die so zahlreich zu unseren Gottesdiensten erscheinen. Ihr jungen Menschen, schaut sie euch an und lernt von ihnen! Trotz ihrer Gebrechen, von denen ihr keinen blassen Schimmer habt, nehmen sie den langen und beschwerlichen Weg auf sich, um in unserer Kirche dem „Messias des Herrn“ zu begegnen. Sie waren auch einmal jung und kennen aus Erfahrung die Verlockungen dieser Welt. Nun öffnen sie für euch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte die Schatztruhen ihrer Lebenserfahrung und rufen euch gleichsam zu: „Das ist es, wofür es sich zu leben und zu kämpfen lohnt – der Glaube an den Erlöser! Unsere Augen haben das Heil gesehen, das Gott vor allen Völkern bereitet hat. Kommt, und lasst euch erleuchten von dem Licht, das die Heiden erleuchtet und dem Volk Gottes, dem Neuen Israel, Herrlichkeit bringt!“ - Wem wollt ihr Glauben – euern liebenden Großvätern und Großmüttern oder irgendwelchen durchgeknallten Profilneurotikern, denen euer Seelenheil völlig Schnuppe ist?! Kümmert es euch nicht, wie sehr eure Eltern daran zu leiden haben, dass ihr eure Kreuzchen abnehmt und nicht mehr in die Kirche kommt, weil es da nicht so cool zugeht wie im Kreise eurer Clique? - Denkt also nach, kehrt um, und lasst uns alle zusammen die Begegnung des Herrn als ein Fest der Alten und Jungen feiern – vereint im Leib Christi, unserer Kirche! Amen.

Jahr:
2019
Orignalsprache:
Deutsch

Falls der PDF-Inhalt nicht angezeigt wird, aktualisieren Sie die Webseite. Manchmal sind mehrere Aktualisierungen notwendig.