Predigt von S. E. Erzbischof Mark am 34.Sonntag nach Pfingsten Sonntag nach Theophanie (Mt 4, 12-17)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen (Mt 4, 17). Mit diesen Worten des Herrn endet die Lesung des Evangeliums zum heutigen Sonntag nach Theophanie.Die Juden waren wenig geneigt zum Empfang geistiger Werte – sie bevorzugten sinnliche Dinge. Wenn wir dies sagen, verunglimpfen wir sie nicht, denn wir wissen, daß die benachbarten Völker jener Zeit noch mehr der Materie und dem Materiellen huldigten als die Juden. Dies war die Eigenheit der alttestamentlichen Zeit.
Doch erschienen ist der neutastamentliche König. Der Herr betont – das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Darüber sagte einer Seiner eifrigsten Jünger, der Heilige Apostel Paulus: unser Heil ist jetzt am nächsten (Röm 13, 11). Das Himmelreich – das ist eben die Rettung.
Das Reich wurde durch Adam verloren. Doch das verlorene Reich war nicht einfach ein äußerer Zustand, wie die Juden und ihnen Ähnliche selbst in unseren Tagen glauben. Einen Großteil unserer Gemeinde stellen Personen dar, die ihre Heimat verloren haben. Aber die Emigration ist kein äußerer Mangel. Wenn wir nur so unseren jetzigen Zustand wahrnehmen, so befinden wir uns hier vergebens. Emigration ist eine geistliche Erscheinung: die Sünde kam in die Welt, spricht der Hl. Apostel Paulus, und durch die Sünde der Tod (Röm 5, 12). Das eben ist unser Zustand, liebe Brüder und Schwestern. Deshalb ist das Reich des Todes über diese Welt hereingebrochen: Gleichwohl herrschte der Tod von Adam an bis auf Moses auch über die, die nicht gesündigt hatten mit gleicher Übertretung wie Adam (-14).
Der Verlust des Reiches ist gleichbedeutend mit dem Verlust der Heimat, des geistlichen, himmlischen Vaterlandes. Der Verlust des Himmelreiches ist die Trennung von der Herrlichkeit Gottes, vom Licht, und deshalb ist im Evangelium gesagt, daß wir in der Finsternis sitzen.
Sie sind allzumal Sünder und mangeln der Herrlichkeit, die sie bei Gott haben sollten (Röm 3, 23) – darin liegt der geistliche Tod beschlossen, der Verlust der Herrlichkeit.
Aber heute wird uns verheißen, daß der König des Himmelreiches Selbst nahekommt. Er nahm Fleisch an und näherte Sich uns. Seine Predigt begann Er mit der Verkündigung der Nähe des Reiches und ebenso beschließt Er sie schon nach Seiner Auferstehung in Galiläa, wohin Er Seinen Jüngern zu gehen befahl: Jesus trat herbei und sprach zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden (Mt 28, 18). Es ist bereits das auferstandene Leben, und nicht nur das irdische; es ist gleichzeitig auch das himmlische und überhimmlische. Und ebenso ist das Wirken des auferstandenen Königs. Durch Seine Gnade hebt der Herr irdische Wesen zu himmlischen Höhen empor, zu himmlischem, unsterblichem Leben, Er führt uns zur Seligkeit des Himmelreiches.
Der König kam und wurde uns in allem ähnlich, stieg herab in die untersten Örter der Erde (Eph 4, 9), nach dem Wort des Hl. Apostels Paulus. Dorthin verschlug den Menschen die Tyrannei der Sünde. In dieser Herablassung in die untersten Örter der Erde erreichte der Herr die Vollkommenheit der Ähnlichwerdung mit uns. Ebensolche Vollkommenheit läßt Er auch in unserer Ähnlichwerdung mit Ihm zutage treten. Nicht wir vollbringen dies, sondern der Herr, der alles vollendet – durch uns und in uns. Wie der Hl. Maxim der Bekenner sagt: “Er macht Sich dem Menschen ähnlich und führt ihn höher als die Himmel, mit Ausnahme von einem nur … der Gleichheit mit Sich dem Wesen nach”.
Um unserer Aufrichtung willen und Vervollkommnung predigt Er: sucht zunächst das Reich Gottes (Mt 6, 33). Das Gebet des Evangeliums, das wir gemeinsam wiederholen, häufig ohne in seinen Sinn einzudringen, lautet: Dein Reich komme (Mt 6, 10). Was heißt das?
Gott herrschte von Ewigkeit her, aber der Mensch lehnte Sein Reich ab. Der Mensch wurde zum Sklaven seiner Leidenschaften und Begierden. Jetzt aber lernt er erst allmählich, dem wahren König zu dienen. Dies wird ihm erst dann gelingen, wenn Gott alles wird in allem (1. Kor 15, 28), wenn Er durch Sich alles durchdringt, was unser Leben auf dieser Erde ausmacht.
Einen solchen Zusatnd zu erreichen sind wir berufen durch die Nachahmung des Lebens der Heiligen Dreieinigkeit. So wie die Dreieinigkeit in Sich Liebe trägt und jegliche Vollkommenheit besitzt, so sind auch wir von Gott berufen, in unserem täglichen Leben uns von Seinem Geist durchdringen zu lassen, durch Seine Liebe, durch das Bewußtsein Seiner Gegenwart, und auf diese Weise am Leben der Heiligen Dreiheit teilzuhaben. Sie Selbst nähert Sich uns, steigt herab auf unsere Erde, sie entsendet den Einziggeborenen Sohn als König unseres Reiches, damit wir Ihr ähnlich werden – der Heiligen Dreieinigkeit, die in Liebe und Vollkommenheit verweilt. Wenn wir diese Grundfesten in unserem Leben bekräftigen, werden wir vollkommen mit jener Vollkommenheit, zu der uns der Herr beruft: seid vollkommen wie euer Vater im Himmel vollkommen ist (Mt 5, 48). Dann tritt wahrlich das ersehnte und verheißene Himmelreich in unser Leben ein.
Amen.